Im Taumel der Herzen - Roman
plötzlich im Wasser wieder.
Prustend kam sie wieder hoch, den Rock um die Taille gebauscht, das offene Haar im Gesicht, sodass sie nichts sehen konnte. Er hatte sie in den See gestoßen? Noch einmal?! Sie strich sich das Haar zurück, aber bevor sie ihn wütend anstarren konnte, klatschte ihr eine große Welle ins Gesicht, weil Richard gerade neben ihr landete.
»Wie es aussieht, kannst du inzwischen recht gut schwimmen«, hörte sie ihn feststellen. »Dabei wollte ich dir doch ein weiteres Mal tapfer zu Hilfe eilen!«
Er sagte das lachend, während er neben ihr Wasser trat. Erbost spritzte sie ihn an. »Das nennst du tapfer?«
»Nun hast du meinen Rettungsversuch vermasselt, weil du gar nicht in Not bist«, beschwerte er sich, grinste dabei aber übers ganze Gesicht. »Muss ich dir erst zeigen, wie das geht?«
Als er daraufhin untertauchte, kreischte Julia laut auf. Tatsächlich zog er sie mit sich hinunter, ließ sie aber genauso schnell wieder los, sodass sie es leicht zurück an die Oberfläche schaffte. Richard grinste immer noch.
»Schöne Beine hast du, Jewels.« Er streckte den Kopf ins Wasser, um sie erneut zu begutachten.
Ihr Rock bauschte sich inzwischen zwar nicht mehr um ihre Taille, blieb aber trotzdem nicht weit genug unten, um ihre Beine zu bedecken. Julia konnte nicht anders, als über Richards Kindereien zu lachen.
Sein Kopf kam wieder hoch. Richard war so groß, dass er an einer Stelle tatsächlich stehen und den Kopf über Wasser halten
konnte. Julia versuchte es ebenfalls, erreichte den Boden aber nicht ganz und ging erneut unter.
»Bist du nun endlich in Not?«, fragte Richard, als sie wieder auftauchte.
»Nein.«
»Dann muss ich mir wohl mehr Mühe geben.«
»Lass das …!«, war alles, was sie noch herausbekam, ehe sie ein weiteres Mal versank.
Julia wurde klar, dass sie dieses Spiel nicht gewinnen würde. Das machte ihr zwar nicht das Geringste aus, hielt sie aber auch nicht davon ab, es weiter zu versuchen. Während sie noch unter Wasser war, drehte sie sich herum und benutzte Richards Brust als Trittbrett, um sich von ihm abzustoßen. So verbrachten sie den Rest des Nachmittags wie spielende Kinder, indem sie in dem kühlen, klaren Wasser herumtollten und miteinander lachten.
Wie sie es eigentlich schon hätten tun sollen, als sie noch Kinder gewesen waren …
37
D as Herumtollen am Nachmittag hatte großen Spaß gemacht, auch wenn es letztendlich nur dem Zweck diente, Richards Vater zu demonstrieren, wie gut sie sich inzwischen verstanden. Woran Julia aber gar nicht gedacht hatte, weil sie sich viel zu gut amüsierte. Allerdings war es viel einfacher, dem Grafen aus sicherer Entfernung etwas vorzuspielen als aus nächster Nähe. Deswegen fürchtete sie sich schon die ganze Zeit davor, zum Abendessen hinuntergehen zu müssen.
Sie hatte sich für ein recht feines, hochgeschlossenes cremefarbenes Abendkleid entschieden, das an den Manschetten und am Kragen mit kleinen weißen Perlen besetzt war. Schließlich aß sie mit einem Grafen zu Abend und erinnerte sich noch gut daran, dass er zu den Mahlzeiten mit ihren Eltern stets sehr elegant gekleidet erschienen war.
Richard steuerte auf einen Stuhl am Ende der langen Tafel zu, um möglichst weit von dem üblichen Platz des Grafen entfernt zu sitzen. Nachdem er den Stuhl daneben noch ein Stück näher herangezogen hatte, ließ er Julia an seiner Seite Platz nehmen.
Er hätte an diesem Abend nicht lässiger gekleidet sein können. Über seiner schwarzen Hose trug er ein weißes, locker fallendes Langarmhemd, dessen Kragen er ein ganzes Stück aufgeknöpft hatte. Der erwartete Kommentar seines Vaters blieb jedoch aus, weil dieser gar nicht erschien. Als seine Bediensteten
ihnen das Essen zu servieren begannen, dämmerte Julia und Richard, dass er wohl nicht vorhatte, sich zu ihnen zu gesellen. Einer der Diener bestätigte das.
»Der Graf ist unpässlich«, erklärte der Mann, während er Richard Wein einschenkte und dabei zu dem leeren Platz am Kopfende der langen Tafel hinübernickte.
Sofort entspannte Julia sich. Richard gelang das weniger gut, was vermutlich daran lag, dass die Lakaien den Raum nicht verließen. Zwei von ihnen bezogen neben der Tür Stellung. In den meisten Haushalten, die viele Bedienstete beschäftigten, war das gang und gäbe, aber in einem Haushalt mit so wenig Personal? Die Anwesenheit der beiden Männer rief Julia ins Gedächtnis, dass sie unter Beobachtung standen und daher entspannter miteinander
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