Im Taumel der Herzen - Roman
sie nicht einmal an, sondern starrte nachdenklich auf den See hinaus, als er sagte: »Ein Schiff, auf dem ich gesegelt bin, hieß The Crusty Jewel . Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich jedes Mal lachen musste, wenn der Name mich an dich denken ließ. Nein, für mich heißt du Jewels, und daran wird sich auch nichts ändern. Du musst zugeben, dass es ein hübscher Name ist – zumindest, wenn man es nicht mit ›verkrustet‹ kombiniert.«
Sie gab nichts dergleichen zu, begriff jedoch, dass sie eigentlich gar keinen Grund hatte, so gereizt zu reagieren.
Um ihres gemeinsamen Zieles willen wechselte sie das Thema. »Der See ist künstlich angelegt, oder? Auf dieser Seite fällt der Hang ja recht sanft ab, aber drüben ist er so steil, dass es richtig unnatürlich aussieht.«
»Ja, der erste Graf von Manford hat im frühen achtzehnten Jahrhundert begonnen, den See ausheben zu lassen.«
»Ah, in einer Zeit, als es bei den Männern modern war, das Haar so lang zu tragen wie du. Hättest du gern damals gelebt? Dein Haar ist übrigens genauso lang wie meines.«
Lachend entgegnete er: »Nein, ist es nicht.«
»Ist es doch!«
»Lass deines herunter, und beweise es mir!«
Sie zog ein paar Nadeln heraus und schüttelte den Kopf, sodass ihre Frisur sich löste. Dann wandte sie ihm den Rücken zu, um ihm ihre lange Mähne zu zeigen, sah ihn dabei aber über die Schulter an. »Na, was meinst du?«
»Verdammt!«, war alles, was er herausbrachte, ehe er sie mit einer schnellen Bewegung zu sich herumdrehte und küsste.
Sein Kuss hatte nichts Sanftes, Verführerisches, sondern war sofort sehr leidenschaftlich. Julia ließ sich davon mitreißen. Dass dieser Kuss so plötzlich und überraschend kam, machte ihn umso überwältigender. Gütiger Gott, er schmeckte so gut, dass es ihr fast den Verstand raubte und sie in völlig neue Dimensionen der Versuchung führte! Dabei verursachte ihr allein schon Richards Nähe jedes Mal aufs Neue ungewohnte Schwindelanfälle. Im Grunde erregte bereits sein Anblick sie, aber dass er sie nun an seinen harten Körper presste, verstärkte diese Wirkung um ein Zehnfaches. In ihrem Innersten explodierte eine sinnliche Lust, die sich durch ihren ganzen Körper ausbreitete und all ihre Sinne schärfte.
Abrupt beendete Richard den Kuss. Offenbar besaß zumindest er genug Geistesgegenwart, um nicht gleich hier auf dem Rasen mit ihr zu Boden zu sinken. Nicht so Julia. Sie hätte keinen Einspruch erhoben und war des Denkens noch nicht wieder mächtig, sondern konnte nur keuchend bedauern, dass diese wundervollen Gefühle nun langsam nachließen.
Obwohl Richard sie längst nicht mehr so fest an sich drückte wie vorhin, änderte das nicht viel an ihrer engen Umarmung, weil sie sich immer noch an ihn klammerte. Seine Hände aber wanderten an ihre Schultern, und seine Stirn berührte die ihre. Sie konnte seinen warmen Atem in ihrem Gesicht spüren.
»Halte noch einen Moment still!«, flüsterte er.
Julia musste sich ein Lachen verkneifen. Sie hatte nicht das Gefühl, sich bewegen zu können, selbst wenn sie gewollt hätte.
»Hast du das absichtlich gemacht?«, fügte er hinzu.
Sie wusste nicht, was er meinte, doch sein Ton hatte eine Spur vorwurfsvoll geklungen, sodass sie steif antwortete: »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Er seufzte. »Nein, hast du wohl wirklich nicht.«
Dann strich er mit einer Hand so langsam ihren Arm hinunter, dass es wie eine Liebkosung wirkte und Julia schon meinte, mit dem Küssen wäre doch noch nicht ganz Schluss. Aber Richard hatte es nur auf ihre Haube abgesehen, die er ihr nun vom Handgelenk zog – und ziemlich grob über den Kopf stülpte.
»Du hast schönes Haar, Jewels. Halte es bedeckt!«, sagte er eine Spur zu scharf.
Julia schnappte nach Luft und wollte sich von ihm lösen, doch er hatte seine Hände schon wieder an ihren Schultern und hielt sie fest. »Sei nicht gleich beleidigt, wir sind mit unserer Demonstration noch nicht fertig. Der Tyrann beobachtet uns vom Haus aus, also halt still, und leg eine Hand an meine Wange!«
Sie tat, wie ihr geheißen, meinte dabei jedoch schnippisch: »Vielleicht beobachtet er uns ja gar nicht.«
»Ich habe dich absichtlich an die Rückseite des Hauses geführt, weil wir hier von mehreren Räumen aus – einschließlich seines Schlafzimmers – gut zu sehen sind, was an der Vorderseite nicht der Fall gewesen wäre. Er beobachtet uns. Ich kann die Bösartigkeit, die von diesem Haus ausgeht, fast
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