Im Taumel der Herzen - Roman
höflich abgelehnt, wollte sie aber gern begleiten und ihnen beim Schwimmen zusehen, sodass sie am Ende doch zum See hinuntergingen.
Charles war ebenfalls mit von der Partie. Während Julia und Mathew Hand in Hand vorausmarschierten, klärte Charles seinen Bruder auf: »Er hat Angst vor dem Wasser, wundere dich also nicht, wenn du es nicht schaffst, ihn hineinzulocken. Einer von den Söhnen des Gärtners wäre vor ein paar Jahren fast ertrunken. Er konnte zwar recht gut schwimmen, bekam
jedoch einen Krampf oder so etwas in der Art. Mathew, der auf dem Rasen hinter dem Haus spielte, hörte den Jungen um Hilfe schreien und bildete sich ein, er könnte ihn retten, obwohl er selbst nicht schwimmen konnte! Am Ende rettete Vater alle beide. Er war gerade auf dem Weg zu Mathew gewesen, um ihm etwas zu sagen. Sonst war niemand in der Nähe, der hätte helfen können. Seither hat Mathew sich gegen all meine Versuche, ihm das Schwimmen beizubringen, erfolgreich zur Wehr gesetzt. Ich gebe mir selbst die Schuld, weil ich es ihm nicht früher beigebracht habe.«
Nachdem Richard das gehört hatte, war er noch fester entschlossen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, musste dann jedoch einsehen, dass Charles recht hatte. Obwohl Richard dem Jungen zeigte, wie viel Spaß man im Wasser haben konnte, und Julia ihn nach Kräften dabei unterstützte, ließ Mathew sich nicht dazu bewegen, es zu versuchen. Am Ende aber schaffte Julia es doch! Sie musste ihm lediglich versprechen, ihn so lange zu halten, bis er den Bogen heraus hatte.
Als Charles sah, wie geduldig und sanft Julia mit dem Jungen umging, bemerkte er: »Sie scheint ein Händchen für Kinder zu besitzen, nicht wahr?«
Richard hatte gerade das Gleiche gedacht. Allerdings war Mathew auf Anhieb von Julia begeistert gewesen, während er Richard gegenüber eher reserviert blieb, weil er offenbar nicht so recht wusste, was er von einem Onkel halten sollte, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Lieber Himmel, dachte Richard, wie viel er in den neun Jahren seiner Abwesenheit verpasst hatte!
»Gib Mathew ein bisschen Zeit«, fuhr Charles fort, als er Richards nachdenklichen Blick bemerkte. »Ich habe ihm so viele Geschichten über dich erzählt – natürlich nur Gutes – und auch dafür gesorgt, dass Vater in seiner Gegenwart nie ein schlechtes Wort über dich verlor. Vielleicht liegt es an deinem
Haar, schließlich hat er vorher noch nie einen Mann gesehen, der es so lang trägt. Noch wahrscheinlicher aber ist, dass er sich wegen deiner Größe ein wenig unbehaglich fühlt. Er ist sich im Moment der Tatsache sehr bewusst, dass er etwas klein für sein Alter ist. Julia jedoch … nun ja, er kommt kaum mit jungen Frauen zusammen, die nicht zum Personal gehören. Deswegen überrascht es mich ganz und gar nicht, dass er so hingerissen von ihr ist!«
Es bestand keine Veranlassung, dass Charles sich für den Jungen entschuldigte. Richard wusste selbst, dass man vor Ort sein musste, um das Vertrauen und die Liebe eines Kindes zu gewinnen. Er aber war nicht da gewesen und würde es auch in Zukunft nicht sein. Nichtsdestoweniger wurde ihm nun mit einem Gefühl tiefer Traurigkeit bewusst, dass das genau die Familie war, die er sich immer gewünscht hatte: Frau und Kind, die miteinander herumtollten, während er mit seinem Bruder dabeisaß und ihnen zusah. Liebe Menschen, die miteinander Spaß hatten und lachten, verbunden durch ein starkes Gefühl von Zusammengehörigkeit. Wahrscheinlich würde er das in dieser Form nie wieder erleben, denn schon bald würden er und Julia Willow Woods verlassen.
Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, Charles zu erklären, was sie dort taten. Nachdem sie an diesem Vormittag ins Haus gegangen waren, hatte Milton sie sofort in den Salon gerufen, und anschließend waren sie alle gemeinsam ins Speisezimmer übergewechselt, um das Mittagessen einzunehmen. Milton hatte Richard weiterhin in Erstaunen versetzt, weil er in Anwesenheit des Jungen keine einzige bissige oder gehässige Bemerkung fallen ließ.
Nun saßen Richard und Charles weit genug von den Aktivitäten im Wasser entfernt, um ein persönliches Gespräch führen zu können. Daher kam es für Richard keineswegs überraschend, als Charles ihn fragte: »Rich, was geht zwischen dir
und Julia vor, und warum seid ihr wirklich hier in Willow Woods? Dein Verhalten widerspricht allem, was du mir in dem Gasthaus erzählt hast.«
Nun, da Charles das Thema angeschnitten hätte, war Richard für einen Moment
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