Im Taumel der Herzen - Roman
anfänglichen Streit zu vergessen.«
»Sogar Vater?«
»Zumindest hat sich seine Haltung mir gegenüber seit jenem Tag sehr verändert: Er versucht nicht mehr, mir seinen Willen aufzuzwingen. Man könnte sagen, dass er mich seither mit Samthandschuhen anfasst. Ich habe das Gefühl, dafür bist ebenfalls du verantwortlich. Nachdem bereits einer seiner
Söhne das Weite gesucht hat, ist ihm wohl klar geworden, dass ich dasselbe tun könnte. Mathew und ich sind das Verbindungsglied, dem er es zu verdanken hat, dass der Herzog unserer Familie nach wie vor wohlgesinnt ist. Dieses Wohlwollen will Vater auf keinen Fall verlieren. Deswegen haben wir uns wie gesagt darauf geeinigt – wenn auch stillschweigend –, dass wir uns in Zukunft gegenseitig in Ruhe lassen.«
»Ich bin … sprachlos.«
»Ich nicht«, warf Ohr ein. »Jeder kann sich ändern, und in neun Jahren kann ein Mensch sich sogar sehr stark verändern. «
Beide Brüder starrten Ohr einen Moment an. Dann musste Charles lachen. »Ganz so weit würde ich in diesem Fall nicht gehen. Mein Vater ist nach wie vor der Tyrann, der er immer war. Er schafft es lediglich, in Gegenwart meines Sohnes auf seine übliche, herrische Art zu verzichten. Nicht, dass ich es ihm erlauben würde, aber er hat noch kein einziges Mal versucht, dem Jungen seine strengen Regeln aufzuzwingen oder sich in meine Erziehungsmethoden einzumischen. Im Gegensatz zu uns beiden, Richard, darf Mathew nämlich schon in jungen Jahren seine eigenen Entscheidungen treffen – und geht dabei recht logisch vor. Er ist so ein gescheiter, liebevoller Junge. Er liebt sogar seine beiden Großväter. Seltsamerweise zeigen sich beide in seiner Gegenwart nur von ihrer besten Seite.«
Richard fiel es schwer, zu glauben, dass sein Vater sich aus irgendeinem Grund geändert haben sollte, und wäre es nur aus purem Eigennutz. Der Wandel, der sich mit seinem Bruder vollzogen hatte, war jedenfalls bemerkenswert. Charles strahlte richtig vor Glück, wenn er von seinem Jungen sprach.
»Aber genug von mir!«, meinte er nun. »Wo um alles in der Welt bist du gewesen? Im Ausland? Was hast du all die Jahre gemacht?«
Mit einem schelmischen Funkeln in den Augen warf Richard erst einen raschen Blick zu Ohr hinüber, ehe er seinem Bruder die gemäßigte Version präsentierte: »Ich bin Seemann geworden.«
Charles starrte ihn einen Moment lang ungläubig an, dann musste er lachen. »Das ist so ziemlich das Einzige, womit ich nie gerechnet hätte. Du? Bei deinem rebellischen Wesen war ich der festen Überzeugung, du wärst fortgegangen, um anderswo neue Schlachten zu schlagen oder zumindest irgendwelche Abenteuer zu erleben.«
Richard lachte. »Glaubst du nicht, dass das Segeln auch recht abenteuerlich sein kann? Jedenfalls bin ich sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich habe so gute Freunde gefunden, dass sie mir inzwischen fast zur Familie geworden sind. Ich habe immer einen Platz zum Schlafen, etwas zu essen, nette Gesellschaft … und mehr Frauen, als ich zählen kann. Was könnte ich mir mehr wünschen?«
»Kinder.«
Ein ernüchternder Gedanke. Nun, da Charles selbst stolzer Vater war, lag es natürlich nahe, dass er auf dieses Thema zu sprechen kam. Richard aber brauchte nicht lange zu überlegen, bis er eine Antwort parat hatte.
»Ich hätte lieber Kinder mit einer Frau, die ich liebe, als mit einer, die mir aufgezwungen wird.«
Charles verzog das Gesicht. »Da kann ich dir nicht widersprechen. Außerdem bist du ja noch jung. Du hast noch keine spezielle Dame im Sinn, oder?«
»Doch – aber sie ist bereits anderweitig vergeben«, murmelte Richard so leise, dass nur Ohr es verstehen konnte. Sein Freund verdrehte die Augen.
»Was?«, fragte Charles.
»Es freut mich, zu hören, dass du hier nicht mehr die Hölle auf Erden durchmachst«, wechselte Richard das Thema. »Eigentlich
wollte ich dich ja überreden, mit mir zu kommen, aber es klingt, als wärst du hier recht zufrieden.«
»Das bin ich. Noch zufriedener wäre ich allerdings, wenn du mir sagen würdest, dass du auch hierbleibst.«
»Das wird nicht passieren, und der Grund ist nicht nur, dass ich unseren Vater verachte. Wie ich soeben erfahren habe, kann er mich immer noch mit jenem verdammten Heiratsvertrag an die Kette legen, den er mir damals aufgezwungen hat. Ich dachte wirklich, Julia Miller hätte längst einen anderen geheiratet.«
»Vater entlässt sie nach wie vor nicht aus dem Vertrag«, bestätigte Charles seufzend.
»Ja, das habe ich
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