Im Taxi - unterwegs in Kairo
ein Mann, entschuldigen Sie den Ausdruck, in eine Hure verliebt.«
»Kennen Sie denn jemanden, dem das passiert ist und der Ihnen davon erzählt hat?«
»Ich, mein Herr. Ich habe mich, entschuldigen Sie den Ausdruck, in eine Hure verliebt.«
Wir kamen zum Café Pasqua, wo meine Schwesterund mein Cousin auf mich warteten. Aber der Fahrer hatte meine Neugier erregt, und zudem war es ihm offenbar ein grosses Bedürfnis zu reden.
Das Taxi hielt an, und ich fragte ihn: »Wie ist denn das passiert?«
»Einmal stieg eine Frau mit Kopftuch bei mir ein, sie machte einen ehrbaren Eindruck. Es war abends um elf, und sie bat mich, sie nach Muhandissîn zu bringen. Das war Ende August, also vor fünf, sechs Monaten. Ich fuhr sie zur Damaskusstrasse. Sie bat mich, sie in zwei Stunden wieder abzuholen, da sie einen Kranken besuchen müsse und so spät sonst nicht mehr nach Hause komme. Gott würde mich dafür belohnen. Ich stamme aus Oberägypten und sagte mir, sie ist schliesslich eine Frau, und nachts ist es unsicher. Also einigten wir uns darauf, und nach zwei Stunden kam ich zurück. Sie stieg ein und bat mich, sie nach Manschîjat Nasser 46 zu bringen. Ich verlangte von ihr fünfundzwanzig Pfund. Sie sagte, sie würde mir doppelt so viel geben, weil der Kunde sehr grosszügig gewesen sei.
Sie sagte wirklich âºKundeâ¹. Das Wort gellte mir in den Ohren und bohrte sich in meinen Schädel. Ich war wie vom Schlag getroffen.
Amal, so hiess sie, sagte: âºWas hätte ich denn sagen sollen? Glauben Sie ernsthaft, eine ehrbare Frau geht mitten in der Nacht einen Kranken besuchen? Seien Sie doch nicht so naiv!â¹
Ein Wort gab das andere. Schliesslich tat mir die Frau richtig leid, und wir vereinbarten, dass ich sie am nächsten Tag um zehn Uhr abends zur selben Adresse bringen würde. Um es kurz zu machen: Das ging eine Woche lang so. Dann sagte sie: âºDanke. Wenn Sie irgendwas brauchen, rufen Sie mich an. Hier ist meine Handynummer.â¹
Keine Ahnung, was mit mir passierte. Ich konnte an nichts anderes mehr als an diese Frau denken und sagte mir ständig: Sie ist eine Hure, sie ist eine Hure! Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass ich sie alle naselang auf der Strasse zu sehen glaubte. Dann bremste ich jeweils und merkte, dass es eine andere Frau war, die bloss dieselbe Grösse wie Amal hatte oder auch ein Kopftuch trug oder ihr sogar überhaupt nicht ähnlich sah. Ich dachte, ich sei verrückt geworden und sie habe mich behext. Also rief ich sie auf ihrem Handy an, und als ich sie dann traf, sagte ich zu ihr: âºIch liebe dich.â¹ Keine Ahnung, warum. Sie lachte und antwortete: âºWillst du mich vögeln oder nur mit mir flirten?â¹ Ich sagte, dass ich sie heiraten will, worauf sie meinte: âºDu bist ja nicht ganz bei Trost.â¹
Ich weiss nicht, was ich tun soll, mein Herr. Können Sie sich vorstellen, dass ein Oberägypter wie ich, aus Sohag, bis über beide Ohren in eine Hure verliebt ist? Ich denke Tag und Nacht an sie. Ich sehe sie in jeder Frau, ich liebe sie.
Möge Gott Ihnen das ersparen, denn das ist wirklich der schlimmste Fluch auf der Welt.«
Ich stieg aus und sagte ihm dann durch das Fenster: »Sie haben sie weder gevögelt noch mit ihr geflirtet und sie auch nicht geheiratet. Gott helfe Ihnen!«
32
Kaum waren wir losgefahren, wären wir binnen weniger Minuten mehrmals beinahe verunglückt, aber Gottes Vorsehung bewahrte uns jedes Mal davor. Der Fahrer war ein tollkühner junger Mann mit kahlgeschorenem Kopf. Er war extrem dünn, und seine Kleider hingen lose, vermutlich weil es seine Grösse nur in Läden für Kinder gab. Er war klein, und sein blasses Gesicht zeugte von chronischer Unterernährung. Sein körperlicher Zustand erinnerte mich an die erschreckende Statistik, wonach zehn Prozent der Kinder in Oberägypten wegen mangelhafter Ernährung sogar geistig behindert sind. Im Radio hörte ich einmal, die Luftwaffe habe Probleme, Pilotenanwärter zu finden, denn alle Bewerber, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, müssten wegen mangelhafter körperlicher oder geistiger Fitness abgewiesen werden. Der verantwortliche General meinte, das deute zweifellos auf die weitverbreitete Unterernährung in der ägyptischen Bevölkerung hin.
Der armselige Fahrer verkörperte diese katastrophale Situation. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, über
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