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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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gesellschaftliche Probleme nachzudenken, denn es sah so aus, als könnte ich jeden Moment bei einem Unfall sterben. Ich weiss bis heute nicht, wie wir es überhaupt schafften, in kein anderes Auto reinzufahren. Zum Glück bogen wir in eine verstopfte Strasse ein und mussten anhalten.
    Â»Wo haben Sie fahren gelernt?«, fragte ich.
    Â»Beim Militär«, antwortete er. »Ich habe gerade abgeschlossen.«
    Â»Was haben Sie abgeschlossen?«
    Â»Die Armee. Ich habe dort fahren gelernt und dann als Fahrer gearbeitet. Wir waren an der Autobahn nach Sues stationiert. Ich habe die schweren Laster gefahren.«
    Â»In der Wüste?«
    Â»Ja, in der Wüste.«
    Â»Ich finde, Sie sollten es beim Fahren in der Wüste belassen.«
    Der Kerl verstand den Witz nicht und fuhr fort: »Ich war drei Jahre lang beim Militär. Das war die schönste Zeit meines Lebens. So gut werde ich es nie wieder haben. Dort gab es wahre Kameradschaft und Zuneigung. Ich habe viele Freunde gefunden, echte Freunde, Männer, die für einen da sind, wenn man sie braucht. Ehrlich gesagt, habe ich alles, was ich kann, beim Militär gelernt. Nicht nur das Fahren, nein, alles. Das Militär ist eine richtige Schule, die aus dir einen Mann macht. Als meine Dienstzeit um war, wollte ich Berufssoldat werden. Aber dann kam die Geschichte mit dem Taxi, und die hat mich davon abgebracht.«
    Â»Sie wollten Berufssoldat werden?«
    Â»Ja, das ist doch ein herrliches Leben! Man hat ein geregeltes Einkommen, und es gibt nichts Besseres, als im öffentlichen Dienst zu arbeiten.«
    Â»Und wenn Sie Berufssoldat geworden wären, wie viel würden Sie dann verdienen?«
    Â»Der Lohn ist prima, rund dreihundertfünfzig Pfund 47 im Monat. Wer verdient heutzutage schon so viel? Aber, wie gesagt, das Taxi hat mich davon abgebracht.«
    Â»Und mit dem Taxifahren verdienen Sie gut?«
    Â»Keine Ahnung. Was ich verdiene, gebe ich sofort aus.«
    Â»Aber wie viel ist das ungefähr?«
    Â»Ich habe das noch nie ausgerechnet. Kriege ich ein Pfund, gebe ich ein Pfund aus, verdiene ich zehn, gebe ich zehn aus. Das überlasse ich dem Schicksal. Übrigens gibt es in ganz Ägypten keinen einzigen Taxifahrer, der Ihnen sagen könnte, wie viel er verdient. Das liegt alles in Gottes Hand.«
    Der Stau löste sich langsam auf, und ich hatte Angst davor, die Fahrt mit ihm fortzusetzen. Lieber ein Feigling als ein Leichnam, sagte ich mir, stieg aus und hielt nach einem anderen Taxi Ausschau.

33
    Der Fahrer war wütend, sehr wütend, er tobte regelrecht. Er schrie mich an, als wäre ich an all seinen Problemen schuld.
    Er war etwa dreissig Jahre alt und sah aus, als hätte er studiert. Ich versuchte erfolglos, ihn zu beruhigen. Schliesslich erzählte er mir seine Geschichte: »Gestern haben sie mir meinen Führerschein weggenommen. Angeblich weil ich am Steuer telefoniert hätte. Aber ich schwöre Ihnen, ich habe das Handy nur in der Hand gehalten. Über Beziehungen habe ich versucht, meinen Führerschein zurückzukriegen, aber der Checkpoint war in der Zwischenzeit schon wieder aufgehoben worden. Und so bin ich heute früh zum Verkehrsamt Nikla gefahren, ans Ende der Welt! Weil wir Taxifahrer ja Abschaum sind, ist unser Verkehrsamt am äussersten Ende der islamischen Welt. Der Typ dort sagte mir, dass mein Führerschein noch nicht eingetroffen ist. Zwei Stunden meiner Arbeitszeit haben sie gestern schon verschwendet und heute noch mal zwei, und immer noch kein Führerschein. Gott allein weiss, was ich bezahlen und wie sehr ich mich selbst erniedrigen muss, damit ich den Führerschein überhaupt zurückbekomme. Das macht mich ganz verrückt! Und das Verkehrsamt ist völlig überlaufen, man kann keinen Schritt tun, ohne Schmiergeld bezahlen zu müssen. Ekelhaft!
    Ich verstehe wirklich nicht, was die von uns wollen. Da gibt es schon keine Arbeit, wir machen jedenJob, und dann legen sie uns auch noch Steine in den Weg. Sie plündern uns aus, sie bestehlen uns und lassen sich bestechen. Ich weiss wirklich nicht, wohin das noch führen soll. Genauso viel Geld, wie ich jeden Tag für Benzin ausgebe, muss ich für Bestechung beiseitelegen.
    Na ja, irgendwann werden wir wohl aufgeben und abhauen, wie alle andern auch. Das ist es ja offenbar, was die Regierung will: dass wir gezwungen sind, zu gehen. Ich verstehe nur nicht, wen die Regierung dann ausnehmen will, wenn wir

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