Im Taxi - unterwegs in Kairo
einen Tee trinken. Meiner Frau riet sie, sich die Fingernägel zu schneiden, denn dort würden sich die Dschinnen verstecken. Dann flüsterte sie meiner Frau noch etwas ins Ohr und ging. Bis heute weigert sie sich, mir zu verraten, was die Scheicha ihr gesagt hat.«
»Erstaunliche Geschichte.«
»Wem auch immer ich das erzähle, man glaubt mir nicht. Ich sage Ihnen, wir gehen schlafen und wachenam Morgen mit Zeichnungen von grossen Augen an der Wand auf. Von wem sollen die denn sonst sein? Von meiner Mutter etwa? Die Dschinnen existieren wirklich. Lassen Sie sich von Ihrer Bildung nicht den Geist verwirren, und danken Sie lieber Gott dafür, dass es in Ihrem Haus nicht spukt!«
»Gott sei Dank.«
45
Etwa eine Stunde vor dem Freitagsgebet wirken Kairos Strassen wie leergefegt. Zu dieser wunderbaren Zeit war ich auf dem Weg nach Rihâb City, wo ich einen Freund besuchen wollte. Der Taxifahrer hatte sich entschieden, die Salâch-Sâlim-Strasse zu nehmen und über den Abdînplatz zu fahren. Als wir den Platz erreichten, flog plötzlich ein Fussball vor das Taxi, und ein Jugendlicher tauchte aus dem Nichts auf, der hinter dem Ball herrannte und für nichts anderes einen Blick hatte. Wir fuhren ihn an, durch den Zusammenprall wurde er mindestens drei Meter durch die Luft geschleudert. Dann rannte er wieder hinter dem Ball her, als wäre nichts passiert.
Ich bat den Fahrer anzuhalten, um sicherzugehen, dass der junge Mann nicht verletzt war. Doch er weigerte sich und fuhr schnell weiter.
»Sie sehen doch, dass er schon wieder läuft«, sagte der Fahrer.
»Wir hätten ihn ins Krankenhaus bringen müssen. Vielleicht spürt er jetzt noch nicht, was mit ihm geschehen ist«, erwiderte ich.
»Wenn ihm etwas zugestossen wäre, könnte er dann wie eine Gazelle rennen? Das war nur ein leichter Stoss, und Gott hat ihn beschützt. Im Krankenhaus würden sie uns tausend Fragen stellen, da kämen wir nie wieder weg. Die würden die Gelegenheit ausnutzen und Mitgefühl heucheln, obwohl sie uns doch sonst das Leben schwermachen. Ein Menschhat für die doch gar keinen Wert, nicht einmal den eines Piasters. Haben Sie nicht mitgekriegt, was mit der Fähre 59 passiert ist, die im Roten Meer gesunken ist? Die Leute starben reihenweise, und die Regierung sah einfach zu und applaudierte. Wissen Sie, was meiner Ansicht nach die Menschen in den Augen der Regierung sind?«
»Nein, keine Ahnung.«
»Menschen sind in Ãgypten einfach Staub in einer gesprungenen Tasse. Die Tasse kann leicht zerbrechen, dann weht der Wind den Staub fort. Den Staub kann man nicht wieder zusammenfegen, und eigentlich ist das ja auch nicht nötig, schliesslich ist es nur ein bisschen Staub. Die Menschen in diesem Land sind bloss herumwirbelnder Staub ohne jeden Wert.
Wussten Sie, dass viele Familien für ihre Angehörigen, die auf der Fähre umgekommen sind, noch immer keine Sterbeurkunde erhalten haben, weil deren Papiere mit ihnen im Meer versunken sind? Was hier passiert, ist unglaublich! Ein unbeschreibliches Chaos! Sogar von dem Geld, das den Angehörigen versprochen wurde, haben viele nie etwas gesehen. Erst hiess es, für jeden Toten gebe es sechsundsechzigtausend Pfund. Ausserdem haben sie ja von überall her Spenden bekommen, aus den Golfländern, von Geschäftsleuten ⦠Das wären für jeden mindestens fünfzigtausend Pfund gewesen. Wo ist dieses Geld?Das weiss keiner. Und die armen Familien! Sie haben ihre Kinder verloren und kriegen noch nicht einmal das versprochene Geld. Und der Besitzer der Fähre ist natürlich ins Ausland geflohen.
Wussten Sie, dass vierundzwanzig Besatzungsmitglieder spurlos verschwunden sind? Es heisst, der Besitzer der Fähre habe dafür gesorgt, dass sie abhauen, damit sie keine Geheimnisse ausplauderten, die ihm schaden könnten, und damit die Versicherung zahlt. Denn wenn diese Leute auspacken würden, würde die Versicherung gar nichts zahlen. Das Ganze ist ein Skandal! Es geht das Gerücht, dass ⦠Gott allein kennt die Wahrheit â diese Formulierung verwende ich gern, wenn ich nicht weiss, ob etwas wahr ist oder nicht.«
»Welches Gerücht denn?«
»Dass auf der Fähre fünfhundert Leute mehr waren als zulässig, aber das will niemand zugeben. Die Leute, die geflohen sind, wissen das natürlich alles.«
»Woher haben Sie denn diese
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