Im Taxi - unterwegs in Kairo
Aber diese Typen benehmen sich wie Wölfe, die Frischfleisch reissen wollen. Dabei sind die armen Mädchen ja noch so unschuldig und checken gar nicht, was für schmutzige Gedanken diese Kriminellen in ihren Autos haben.
Schauen Sie sich nur mal den Wagen dort an, der hat ein Nummernschild vom Zoll in Sues. 70 Und wie gross der ist, das ist ja fast schon ein Bus! Der Typ parkt doch dort bloss, um seinen üblen Machenschaften nachzugehen.«
Während der ganzen Fahrt zeigte er mir die »Diebe der Strasse«, wie er sie nannte, und wurde nicht müde zu analysieren, warum welches Auto am Strassenrand geparkt hatte. Komischerweise sagte ich die ganze Zeit kein Wort, bis ich wieder ausstieg. Es war ein endloser Monolog über die kriminellen Reichen, und ich scheute mich, dem Fahrer zu gestehen, dass auch ich ein Auto besitze.
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Diese Kopfschmerzen brachten mich fast um. Dabei hatte ich bis dreissig nie Kopfschmerzen gehabt und sogar überall damit geprahlt. Aber diese Zeiten waren vorbei. Nun stand ich in der Muhammad-Farîd-Strasse im Stadtzentrum und hatte einen furchtbaren Brummschädel.
Ein Taxi näherte sich, bremste ab, aber ohne anzuhalten, so dass ich rufen musste: »Agûsa, Agûsa.« Der Fahrer hielt dreissig Meter weiter, und ich rannte, bevor er es sich anders überlegte und mich stehenliess. Das passiert nämlich häufig, aus Gründen, die kleinen Leuten wie mir unverständlich bleiben. Aus Versehen trat ich auch noch in eine Pfütze, die sich unter den parkenden Autos am Strassenrand ausbreitete.
Ich stieg in das Taxi und kam vom Regen in die Traufe. Der Fahrer war jung, höchstens fünfundzwanzig Jahre alt, und hatte die Lautstärke des Kassettenspielers so hochgedreht, dass alle internationalen Grenzwerte dessen, was ich mit meinen Kopfschmerzen ertragen konnte, überschritten wurden.
Sehr höflich bat ich ihn, die Anlage leiser zu stellen, und urplötzlich war ich in einen hässlichen Streit mit ihm verwickelt.
»Wenn das jetzt der Koran wäre, hätten Sie mir dann auch gesagt, dass ich die Lautstärke runterdrehen soll?«, schrie er mir ins Gesicht.
Zuerst verstand ich den Zusammenhang zwischen meiner Bitte und seinen Worten überhaupt nicht, aberdann dämmerte mir, dass er eine Predigt hörte. Nun bemerkte ich auch die zahlreichen Bilder von Kyrill und Schinûda 71 , die überall hingen und jedem zeigen sollten, dass er Christ war. Ich will nicht verhehlen, dass mich das Verhalten des Fahrers überraschte, denn Ãgyptens Christen brechen normalerweise keinen Streit dieser Art vom Zaun, und keiner meiner christlichen Freunde macht viel Aufhebens von seinen religiösen Pflichten. Ich hatte nie einen von ihnen sagen hören: »Heute gehe ich zur Kirche.« Ganz anders meine muslimischen Freunde, die nicht müde werden zu betonen, dass sie beteten und fasteten: »Ich habe das Nachmittagsgebet verrichtet« oder »Ich hatte keine Zeit, das Nachmittagsgebet zu verrichten« oder »Ich bin müde, weil ich heute faste«.
Ich habe den Grund dafür nie verstanden. Hat es etwas mit dem Wesen der jeweiligen Religion zu tun? Oder damit, dass Christen eine Minderheit in Ãgypten sind? Jetzt war ich sowieso nicht imstande, es zu verstehen, denn die Kopfschmerzen hatten mich übermannt.
Ich spielte mit dem Gedanken, das Gespräch abzubrechen, antwortete dann aber doch: »Ja, dann hätte ich Ihnen auch gesagt, dass Sie den Ton leiser stellen sollen. Wenn Sie es genau wissen wollen: Sobald ich in ein Taxi steige und der Fahrer gleichzeitig eine Koranrezitation laufen lässt und sich mit mir unterhält, zitiere ich selbst aus dem Koran: âºWenn der Koranvorgetragen wird, so leihet ihm das Ohr und schweiget, auf dass ihr Erbarmen findet.â¹ 72 Dann bitte ich ihn, die Kassette abzustellen.«
Der Fahrer war sichtlich verärgert, und als hätte er mir gar nicht zugehört, sagte er: »Ich stelle die Kassette nicht leiser. Und wenn es Ihnen nicht passt, können Sie aussteigen.«
Jetzt tat ich so, als sei ich verärgert. »Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass ich Muslim bin? Steht das auf meiner Stirn geschrieben? Könnte ich nicht auch ein Christ sein, der Kopfschmerzen hat? Oder müsste man ein Kreuz um den Hals tragen oder eine Sabîba 73 auf der Stirn haben, damit Sie Ihre Fahrgäste einordnen können?«
»Hören Sie, das ist mein Taxi. Ich drehe den
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