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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Frau wie ein Hühnchen. Und im Schlafzimmer glaubt man gestutzte Flügel zu haben«, meinte er lachend. »Das Problem ist, dass man sich auch ohne Vogelgrippe so fühlen kann. Ganz ehrlich.«

52
    Blablablablabla… Schliesslich wandte sich der Fahrer um, schaute mir ins Gesicht und sagte: »Sie scheinen mir ein anständiger Kerl zu sein.«
    Â»Danke sehr«, sagte ich.
    Â»Tut mir leid, alles, was ich Ihnen bis jetzt erzählt habe, war bloss leeres Gerede. Aber jetzt spiele ich mit offenen Karten, damit Sie verstehen, was ich meine. Wenn ich könnte, würde ich Sie auf der Stelle töten und Ihnen alles abnehmen, was Sie bei sich haben. Mir würde es nichts ausmachen, wenn man mich verhaftet. Im Gefängnis hätte ich wenigstens was zu essen.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Â»Bei Gott, ich bin mehr tot als lebendig. Nein, sogar einem Toten geht es besser als mir. Ich mache zwei Schichten und bin trotzdem am Monatsende mit rund hundert Pfund in den Miesen. Ehrlich, jedem Rindvieh geht es tausendmal besser als uns.«
    Der Fahrer war jung, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt oder sogar noch jünger. Er sprach hastig weiter: »Haben Sie von den jungen Leuten gehört, die sich auf dem Hussain- und dem Tachrîrplatz in die Luft gesprengt haben? Wirklich klasse! Glauben Sie ja nicht, dass das Terroristen sind. Das waren junge Leute, die gemerkt haben, was los ist, und die den Durchblick hatten. Die haben begriffen, dass der Tod allemal besser ist als ihr Scheissleben.«
    Ich versuchte ihn zu beruhigen. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
    Â»Nicht so schlimm? Wissen Sie, wenn Selbstmord nicht verboten wäre, hätten sich alle, die ich kenne, schon längst das Leben genommen. Diese Jugendlichen haben es richtig gemacht. Die wollten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: sich umbringen und dann ins Paradies kommen. Der Rest ist unwichtig. Dass sie angeblich Mitglieder einer islamistischen Gruppe waren und dass eine Freundin ihre Finger im Spiel hatte, ist alles erstunken und erlogen.«
    Nach kurzem Schweigen schrie der Fahrer mir ins Gesicht: »Das waren arme Schweine, die wussten noch nicht einmal, wie man eine richtige Bombe baut. Da waren bloss ein paar Nägel drin, die man bei jedem Eisenwarenhändler für zwei, drei Pfund kriegt. Was soll das denn für eine Gruppe sein, die nichts auf die Reihe kriegt? Arme Dinger!«
    Â»Nein«, sagte ich, »die wussten genau, was sie taten. Die ruinieren die ägyptische Wirtschaft.«
    Der Fahrer schaute mich angewidert an. »Was für eine Wirtschaft? Wir lungern« (ich nehme an, er wollte »hungern« sagen) »und sind seit langem total abgebrannt, es gibt nichts mehr, rein gar nichts. Ausserdem tun die Leute in diesem Land ja nichts andres, als sich gegenseitig zu beklauen. Das ist unsere Wirtschaft.«
    Â»Ich steige da vorne rechts aus«, sagte ich.
    Der Fahrer hielt den Wagen an und fragte mich: »Wissen Sie denn nicht zufällig, wie man so eine kleine Nagelbombe baut? Unter uns gesagt, ich willnämlich an der nächsten Ecke Schluss machen und gleich ins Paradies kommen.«
    Schleunigst stieg ich aus dem Taxi. Ein Schwall heisser, schmutziger Luft schlug mir entgegen.

53
    Â»Haben Sie denn keine Lust, zur Wahl anzutreten und Präsident der Republik zu werden, jetzt, wo die Verfassung geändert worden ist? 68 «, fragte ich den Fahrer. »Sie kennen doch bestimmt jeden Zweiten im Land, wenn Sie den ganzen Tag herumfahren.«
    Der Fahrer lachte müde, wie einer, auf dem die Sorgen der gesamten Menschheit und die seiner sechzig Jahre lasten – nach seinen Gesichtsfalten zu urteilen, musste er wohl mindestens so alt sein.
    Â»Also wollen Sie für Husni Mubârak stimmen?«, fragte ich ihn.
    Â»Er mag mich nicht, warum sollte ich ihn also mögen?«, antwortete er mit vollem Ernst.
    Â»Warum mag er Sie denn nicht?«
    Der Fahrer sah mich an und fragte: »Sind Sie Millionär?«
    Â»Nein«, sagte ich verblüfft.
    Â»Also mag er Sie auch nicht. Der Mann mag nur Leute, die mehr als eine Million Pfund besitzen.«
    Â»Aber das ist doch keine Liebesgeschichte! Sie sollen ja nicht heiraten, sondern denjenigen wählen, der für das Land am besten ist.«
    Â»Um für ihn stimmen zu können, muss ich ihn mögen. Abgesehen davon, dass ich noch nie an Wahlen teilgenommen habe und auch keinen Wahlausweis

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