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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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besitze. Ich kenne auch niemanden, der einenhat. Können Sie sich vorstellen, dass ich in meinem langen Leben noch nie jemanden mit einem Wahlausweis gesehen habe? Haben Sie denn einen?«
    Â»Nein.«
    Â»Es gibt Dorfvorsteher und Amtsleiter, die mit Gewalt die Bauern oder die Beamten für die Wahl zusammentrommeln. So verdienen sie sich etwas Geld dazu, das ist ein einträgliches Geschäft. Aber wenn Sie die Wahrheit wissen wollen: Kein Einziger unter den wenigen, die zur Wahl gehen, tut das aus freien Stücken, abgesehen von ein paar Millionendieben, die das fürs Geschäft tun.«
    Â»Sie malen alles ziemlich schwarz.«
    Â»Ich schwöre Ihnen«, sagte er aufbrausend, »von den siebzig Millionen Ägyptern geht keiner freiwillig wählen, ausser eben die Millionäre.«
    Â»Die Regierung passt Ihnen also nicht?«
    Â»Gefällt sie Ihnen denn?«
    Â»Ehrlich gesagt, glaube ich, dass Premierminister Nasîf eine sehr ehrliche Haut ist. Einen Mann wie den hatten wir schon lange nicht mehr.«
    Â»Aber der ist Ausländer.«
    Â»Wie das?«
    Â»Er ist Kanadier und hat in Kanada den Eid abgelegt.«
    Â»Das höre ich zum ersten Mal.«
    Â»Wie kann das sein, sind Sie nicht auf dem Laufenden? Er ist Kanadier, das können Sie mir glauben. Husni Mubârak hat einen Kanadier zu unserem Regierungschef gemacht. Nach den Wahlen, die natürlichHusni Mubârak gewinnen wird, wird er den Kanadier, inschallah, gegen einen Amerikaner auswechseln. Und der wird Johnnie Walker heissen.«

54
    Ich bat den Fahrer, mich zum Fernsehgebäude in Maspero zu bringen. Sein Gesicht hellte sich auf, und er fragte mich, ob ich dort arbeite. Ich schüttelte den Kopf, aber das entmutigte ihn nicht. »Aber Sie kennen doch bestimmt jemanden dort, oder?«
    Â»Natürlich«, sagte ich.
    Â»Ich muss nämlich unbedingt Mufîd Fausi 69 treffen, unbedingt.«
    Â»Das muss aber eine wichtige Angelegenheit sein.«
    Â»Es geht nicht um mich, sondern um unser Land. Ich will ihm nämlich sagen, dass jeden Morgen die Hälfte aller Leute, die bei mir einsteigen, zum Krebsinstitut wollen. Das ist wirklich seltsam. Kaum hab ich dort einen abgesetzt und bin ein bisschen in der Gegend herumgefahren, verlangt der nächste Kunde, zum Krebsinstitut gefahren zu werden. Man könnte meinen, dass das ganze Land an Krebs leidet. Ich weiss nicht, ob das von der dreckigen Luft kommt, die wir auf der Strasse einatmen, oder vom Essen, mit dem wir uns vergiften, oder von den Pestiziden, die wir versprühen. Aber ich will Mufîd Fausi sagen, dass rund die Hälfte aller Ägypter jeden Morgen das Krebsinstitut aufsucht; er weiss bestimmt, was zu tun ist. Er kennt sicher den Präsidenten und wird dann mit ihm darüber sprechen. Und der Präsident wird schon eine Lösung für dieses Problem finden.«

55
    Â»Für mich ist jeder, der ein eigenes Auto hat, ein Dieb. Das ist nicht übertrieben. Ich brauche ihnen bloss in die Augen zu schauen, um zu sehen, dass sie kriminell sind.
    Sehen Sie das arme Mädchen dort drüben? Und nun achten Sie mal auf das Auto vor uns. … Sehen Sie, der Typ fährt rechts ran und versucht sein Glück bei ihr. … Und schon zieht er wieder Leine, das Mädchen hat ihn abblitzen lassen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass jeder, der in diesem Land ein Auto hat, kriminell ist und Dingen nachjagt, die ihm nicht gehören.
    Sehen Sie die jungen Frauen da? Die kommen gerade aus der Sekretärinnenschule dort rechts. Und das Auto dort, meine Güte, das ist mehr als eine halbe Million Pfund wert. Der Typ guckt in den Rückspiegel wie ein gemeiner Dieb und wartet darauf, dass eine zu ihm kommt.
    Es ist zum Kotzen. Immer wenn ich fahre, sehe ich Autos, deren Fahrer nichts anderes im Sinn haben, als zu stehlen. Einmal hat so ein Geldsack zu mir gesagt: ›Die Reichen ficken die Armen ihr ganzes Leben lang.‹ Wenn jemand für einen reichen Mann arbeitet, lässt der ihn drei Wochen lang schuften und schmeisst ihn dann raus, weil er angeblich nicht gut ist. Danach holt er sich einen andern, mit dem er genauso umspringt. Die ficken sie alle.
    Aber das eigentliche Problem ist, dass diese Kerle versuchen, junge Mädchen von sechzehn, siebzehnJahren anzumachen. Oder solche, wie wir sie gerade vor der Schule gesehen haben: junge, hübsche Dinger, die versuchen, etwas zu lernen und ein anständiges Leben zu führen.

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