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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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düsteren Licht überhaupt zu erkennen war. Dennoch ging er weiter, argwöhnisch den Boden vor seinen Füßen musternd, da er mehrfach auf weiche Bündel gestoßen war, Lumpen vielleicht nur, vielleicht auch Ärgeres.
    Seinen Hut trug er nun in der Hand und fächelte sich mit der Krempe faulige Luft zu. Eine Stimme in seinem Innern beschwor ihn, endlich umzukehren, von diesem wahnwitzigen Abenteuer abzulassen, ehe es zu spät sei. Doch die Stimme klang nur allzusehr nach Mrs. Molton, die ihrerseits nur zu sehr seiner eigenen Mutter ähnelte, und so stolperte Robert weiter und weiter, durch Dunkelheit und Moder, schreckte schläfrige Hunde auf, erschrak seinerseits über Säuglinge, die hinter Hüttenwänden greinend aus dem Schlaf fuhren, und sah während alledem unablässig die kakaofarbenen Unterschenkel der Mayafrau vor sich, ihren nackten Fuß, der in das Schlammloch fuhr, oder ihr junges Gesicht, das ihn über die Schulter ansah, in finsterem Ernst. Ich werde sie zeichnen, wiederholte er bei sich und sah sich zugleich schon, wie er sie umarmte, seinen Mund auf ihre Lippen preßte, wie er ihre Brüste fühlte, kakaobraune Halbkugeln, an seine Brust geschmiegt.
    Er keuchte. Nur vage wurde ihm bewußt, daß er stehengeblieben war, mit der Schulter an einer Hüttenwand lehnend, während der Panama, seiner Hand entglitten, vor ihm im Schmutz lag. Mary, dachte er, seine Verlobte - sie hatte ihn angesehen wie einen Verworfenen, als er ihr seinen Plan gestanden hatte: in die karibische Wildnis ziehen, als Maler und Schatzsucher, auf den Spuren von Frederick Catherwood, dem berühmten Reisenden, der wie er selbst am Charles Square aufgewachsen war und viele Jahre im Dschungel verbracht hatte, bei den alten Mayastätten, um dort Hunderte von Blättern mit seinen vortrefflichen Zeichnungen zu bedecken. Wie einen Verrückten, dachte Robert, wie einen ekelhaften Teufel hatte sie ihn angesehen, Mary, die die Luft anzuhalten pflegte, wenn er sie zu küssen wagte, Mary, vor deren knochigen Hüften er anfangs zurückgeschreckt war und an die er sich niemals gewöhnt hätte, auch durch Abstumpfung nicht, Mary, deren Vater einen florierenden Stoffhandel betrieb, während er selbst die Tuchmanufaktur seiner Familie erben sollte... Aber ich habe ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, dachte er, ich bin einfach auf und davon, bei Nacht und Nebel, wie ein entflohener Sträfling, sagte sich Robert, der auf einmal bemerkte, daß er am Boden lag, rücklings im Schlamm, während die junge Mayafrau sich über ihn beugte und ihn mit ernster Miene ansah. Wie schön sie ist, dachte er. Tatsächlich kniete sie neben ihm am Boden, und das kunstvolle Vogelnest, zu dem sie ihr funkelnd schwarzes Haar geflochten hatte, schwankte auf ihrem Kopf, der handbreit über ihm schwebte. Robert wollte etwas sagen, sie um ihren Namen bitten, um ein Glas Wasser, denn seine Kehle war wie mit Sand gefüllt, aber er brachte keinen Ton heraus. Das letzte, was er wahrnahm, waren ihre großen, schwarzen Augen, die ihn mit rätselhafter Intensität musterten, und das Klatschen der Brandung an der Hafenmauer, dann fiel etwas Schwarzes auf ihn herab, vielleicht das gelöste
    Nest ihres Haares, und es wurde finster um ihn.

4
     
     
    »Zum Donner, Mr. Thompson«, tadelte Stephen Mortimer mit dröhnender Baßstimme, »bei dieser Witterung empfiehlt es sich, nicht vor der Abenddämmerung zu trinken.«
    »Und nicht vor dem Morgengrauen damit aufzuhören.« Paul Climpsey zwinkerte Robert zu, seinen fuchsroten Schnurrbart zwirbelnd. Dazu machte er eine verstohlene Grimasse in Richtung seines Freundes, Stephen Mortimer, der an der Kaimauer lehnte, die Arme vor dem massigen Leib verschränkt.
    »Es sei denn«, fügte Climpsey hinzu, »Sie gedenken, in der gleichen Nacht noch weiteren Lastern zu frönen.«
    Robert hockte zwischen den beiden auf der Mauer, mit dem Rücken zum gleißenden Türkis des Meeres. Nie zuvor hatte er sich auch nur annähernd so elend gefühlt wie in diesem Moment, so kraftlos und durcheinander. Er verstand überhaupt nicht, wie er hierhergeraten war, aus der Düsternis des Gäßchens zurück in die blendende Helligkeit des Kais, und noch viel weniger vermochte er zu begreifen, wieso er sich auf einmal in der Gesellschaft dieser beiden Gentlemen befand, flüchtiger Rum-Kumpane aus der Mahogany Bar. Er mußte kurzzeitig das Bewußtsein verloren haben, kein Wunder bei dem grauenvollen Gestank, der zwischen den Hütten herrschte, aber was um

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