Im Tod vereint - Divided in Death (18)
den geschmolzenen Resten eines Bechers Schokoladensünde und der halben Flasche Weißwein auf dem
Tisch war es ein aufgeräumter, wenn auch allzu femininer Raum.
»Wonach sieht das für Sie aus?«, fragte sie Peabody.
»Als hätte sie vor lauter Selbstmitleid jede Menge Tränen vergossen und sich dann mit Wein und Eis getröstet. Wahrscheinlich wollte sie sich etwas Mut antrinken, bevor sie die Pillen eingeworfen hat. Sie war jung, naiv und theatralisch. Diese unselige Mischung hat sie dazu gebracht, wegen eines schmierigen Kerls wie Bissel Selbstmord zu begehen.«
»Ja, so sieht es aus. Aber woher hatte sie die Pillen?«
Mit einer versiegelten Hand griff Peabody nach der grünen Plastikflasche ohne Schild. »Sie wurden ihr auf alle Fälle nicht verschrieben. Also hatte sie sie vielleicht vom Schwarzmarkt.«
»Erschien sie Ihnen wie der Typ, der irgendwelche Beziehungen auf dem Schwarzmarkt hat?«
»Nein.« Peabody runzelte die Stirn und sah sich das Szenarium noch einmal genauer an. »Nein, aber es treiben sich auch immer wieder irgendwelche kleinen Dealer in der Kunstszene und an den Colleges herum. In beiden Kreisen hat sie sich bewegt.«
»Das ist natürlich richtig. Das wäre eine Möglichkeit. Dann hätte sie das Zeug erstaunlich schnell besorgt, bei unserem kurzen Treffen erschien sie mir immerhin ziemlich impulsiv. Trotzdem …«
Eve lief durch das Schlafzimmer in das kleine Bad und dann weiter in den zweiten, mit einer kleinen Küchenzeile bestückten und ansonsten als Wohnzimmer benutzten Raum. Dort gab es jede Menge Schnickschnack, und die Wände waren auch hier mit romantischen Postern übersät. Es stand kein schmutziges Geschirr in der
kleinen Spüle, nirgends lag auch nur ein Kleidungsstück oder ein benutztes Taschentuch herum.
Als sie mit einem versiegelten Finger über die Tischplatte fuhr, bemerkte sie, dass nirgends auch nur das allerkleinste Körnchen Staub lag.
»Die Wohnung ist erstaunlich sauber. Seltsam, dass ein Mensch, der derart trauert, noch eine solche Ordnung hält.«
»Vielleicht hat es hier ja immer so ausgesehen«, schlug Peabody vor.
»Könnte sein«, stimmte Eve ihr zögernd zu.
»Oder sie hat die Wohnung genau wie sich selber extra so hergerichtet, bevor sie die Pillen genommen hat. Eine meiner Großtanten ist geradezu besessen davon, jeden Morgen sofort nach dem Aufstehen ihr Bett zu machen, weil sie nicht will, dass irgendjemand sie für eine schlechte Hausfrau hält, falls sie plötzlich aus den Latschen kippt und stirbt. Manche Leute sind eben ein bisschen seltsam.«
»Okay, dann hat sie sich also die Pillen und eine pinkfarbene Rose besorgt, ist hierhergekommen, hat die Wohnung aufgeräumt und sich selbst zurechtgemacht. Dann setzt sie sich heulend auf ihr Bett, isst Eis, trinkt Wein, schreibt ihren Abschiedsbrief, nimmt die Pillen, legt sich hin und stirbt. So könnte es abgelaufen sein.«
Peabody blies ihre Backen auf. »Aber Sie glauben nicht, dass es so abgelaufen ist, und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich irgendetwas übersehe, was völlig offensichtlich ist.«
»Das einzig Offensichtliche ist, dass ein einundzwanzigjähriges Mädchen nicht mehr lebt. Auf den ersten
Blick sieht es wie ein ganz normaler, durch Trauer hervorgerufener Selbstmord aus.«
»Auf den ersten Blick hat die Tötung von Bissel und von Kade auch wie ein ganz normaler Doppelmord aus Eifersucht gewirkt.«
»Was Sie nicht sagen, Peabody.« Eve schob ihre Daumen in die Vordertaschen ihrer Jeans.
»Okay. Allmählich fängt es an bei mir zu schnackeln, aber falls das hier wie der Doppelmord ein Anschlag der HSO oder irgendeiner terroristischen Vereinigung gewesen ist, wo ist dann das Motiv?«
»Sie hat Bissel nicht nur gekannt, sondern war sogar seine Geliebte.«
»Ja, aber sie war noch ein halbes Kind, und er hat sicher nur mit ihr gespielt. Wenn sie etwas über Bissels Arbeit, über das Projekt oder eine andere Sache wusste, fresse ich meine glänzende neue Dienstmarke.«
»Das sehe ich genauso, aber vielleicht hat ja jemand einen anderen Eindruck gehabt. Oder vielleicht wollten sie einfach ganze Arbeit leisten und kein Risiko eingehen. Es ist eine Tatsache, dass es eine Verbindung zwischen ihr und Bissel gab, und deshalb gehen wir erst mal nicht von einem ganz normalen Selbstmord aus. Erst sehen wir uns die Leiche noch etwas genauer an, und dann rufen wir die Spurensicherung, damit sie die Wohnung auseinandernimmt. Wie hieß noch mal die Frau, die sie gefunden
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