Im Todesnebel
dann in eine Decke gewickelt wurde. Eines der Gesichter löste sich aus dem verschwommenen Bild und kam näher.
»O mein Gott!« rief Crowhaven mit ehrfurchtsvoller Stimme.»Was ist denn mit Ihnen passiert?«
Pitt versuchte zu sprechen, aber plötzlich befiel ihn ein Würgen, und er erbrach Salzwasser und Magenschleim auf die weiße Decke. »Sie… die
Starbuck…
Sie haben sie frei bekommen?« flüsterte er schließlich.
»Das berühmte Crowhaven-Glück«, bekam er zur Antwort.
»Die Rakete der
Monitor
schlug auf der anderen Seite in den Unterwasserberg ein, so daß wir von den schlimmsten Folgen der Druckwellen verschont blieben. Andererseits war die Erschütterung aber stark genug, uns von dem Unterdruck loszureißen, der das U-Boot fest am Grund hielt. Dennoch wird die Navy wenig Gefallen an dem finden, was ich mit ihrem teuren Paradestück angestellt habe. Die Antriebswelle an Steuerbord ist gebrochen, und die Backbordschraube sieht eher wie eine verdrehte Brezel aus als wie ein Schiffsantrieb.«
Pitt hob kurz den Kopf. Giordino und Adrian lagen ebenfalls auf dem Vordeck der
Starbuck,
auc h sie hatte man in weiße Wolldecken der US Navy gehüllt. Einer der Seeleute kümmerte sich gerade um Giordinos verletzte Hand.
»Eine Frau… da draußen im Meer muß noch eine andere Frau sein.«
Crowhaven beugte sich über Pitt. »Machen Sie sich keine Sorgen, Major. Wenn sie wirklich da draußen ist, werden wir sie auch finden.«
Wieder mußte Pitt husten, und sein Kopf fiel zurück. Er fühlte sich leer und bleischwer. Das Bild vor seinen Augen verschwamm wieder und löste sich schließlich auf in einem schwarzen Wirbel.
Stundenlang suchten Crowhavens Männer das Meer ab, aber von Summer war keine Spur zu finden. Und auch die geheime Welt von Kanoli lag für immer unter dem Meeresgrund begraben.
Epilog
Am Kaena Point stieg die Flut. Die Wellen wuschen über den Sand, um im nächsten Moment gegen den Fuß des Steilufers zu schlagen. Wenn das Wasser wieder abgelaufen war, wurde der helle Sandstreifen sichtbar und auch die kleinen Krebse, die sich hastig unter den Sandkörnern verkrochen.
Pitt stand auf den Klippen von Kaena Point und sah hinaus auf das ruhelose Meer. Lange Zeit verharrte er in derselben Stellung, die Flut erreichte ihren höchsten Stand, und langsam setzte die Ebbe ein. Hier hat alles begonnen, dachte er. Und hierher war er zurückgekommen, um alle quälenden Gedanken an das Erlebte abzustreifen. Doch wußte er auch, daß es Erinnerungen gibt, die ein Mann mit durchs Leben trägt, bis sein Herz den letzten Schlag tut.
Ein Albatros schraubte sich über seinem Kopf träge und in immer weiteren Kreisen in die Höhe. Dann, als hätte er eine Gefahr wahrgenommen, brach er plötzlich aus seiner Zirkelbahn aus und flog nach Norden davon. Pitt starrte dem großen, weiß und schwarz gefiederten Vogel hinterher, bis er nur noch ein winziger Punkt am Himmel war, der sich schließlich ganz in das durchsichtige Blau des Hintergrunds auflöste.
Der Duft von dem Strauß Plumeriablüten in seiner Hand stieg ihm in die Nase. Irgendwo hinter dem weiten Horizont schien sich flüsternd eine Stimme zu erheben:
A ka makani hema pa
.
Die Worte wurden von der leichten Brise, die vom offenen Meer hereinwehte, an die Klippen getragen.
Pitt lauschte auf den Wind, aber er konnte die Stimme nicht mehr hören. Sekundenlang sah er hinunter auf die Blüten in seiner Hand, dann warf er sie in einem weiten Bogen auf das Meer hinab. Die Wellen griffen sofort nach dem Strauß und lösten ihn in der schäumenden Brandung auf.
Als Pitt sich schließlich vom Meer abwandte, hatte er das Gefühl, ein riesiges Gewicht sei von seinen Schultern genommen worden. Während der rote Ford Cobra sich durch die engen Kurven der unbefestigten Straße schlängelte, pfiff Pitt leise vor sich hin. Hinter ihm senkte sich die dünne Staubfahne, die der Wagen aufgewirbelt hatte, langsam über den leeren Strand.
ENDE
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