Im Todesnebel
Schultern. »Ich habe noch versucht, es ihm auszureden. Aber er hat auf seinem Willen bestanden. Er tut eben, was er will.«
»Hat getan, was er wollte«, sagte Hunter mit hoffnungsloser Stimme.»Willkommen im Reich der wandelnden Toten.«
Pitt kniff die Augen zusammen und starrte in die Höhe. Es dauerte eine Zeitlang, bis er begriff, daß das breit grinsende Gesicht Giordino gehörte.
»Ich sehe niemanden wandeln«, murmelte er. Er wünschte sich, wieder das Bewußtsein zu verlieren. Oder daß der brennende Schmerz in seinem aufgerissenen Arm und das Hämmern in seinem Schädel eigentlich zu irgend jemand anderem gehören würde. Er bewegte sich nicht, sondern lag nur still da und hatte das Gefühl, in einem Meer von Schmerzen zu versinken.
»Eine Zeitlang habe ich schon befürchtet, dir sei nur noch mit einem Sarg zu helfen«, sagte Giordino mit ruhiger Stimme.
Pitt streckte die Hand hoch und ließ sich von Giordino in eine sitzende Position ziehen. Dann blinzelte er mit den Augen, um endlich das Salzwasser und den Sand herauszubekommen.
»Wo um alles in der Welt sind wir hier?«
»In einer Unterwasserhöhle«, antwortete Giordino. »Ich habe sie entdeckt, kurz nachdem du bewußtlos geworden bist und wir dieser teuflischen Strömung entkommen waren.«
Pitt sah sich in der Höhle um, die von Giordinos zerbeulter Handlampe nur trüb ausgeleuchtet wurde. Die Felskammer war ungefähr sechs Meter breit und neun Meter lang. Die Decke war vielleicht zwei bis drei Meter hoch. Dreiviertel des Bodens waren mit Wasser bedeckt, der Rest war nacktes Felsgestein, auf dem Pitt und Giordino jetzt hockten. Auf den glatten Wänden der Höhle waren eine Unmenge winziger Krabben, die wie aufgescheuchte Ameisen über das Gestein eilten.
»Ich möchte wissen, wie tief wir hier sind«, sagte Pitt.
»Draußen vor dem Eingang hat mein Tiefenmesser vierundzwanzig Meter angezeigt.«
Plötzlich überfiel Pitt das quälende Verlangen nach einer Zigarette. Er kroch auf allen vieren über den trockenen Steinboden an die Felswand und lehnte sich dagegen. Mit dumpfem Blick starrte er dann auf seinen blutverschmierten Taucheranzug.
»Wirklich schade, daß ich keine Kamera dabei habe«, sagte Giordino. »Dein Bild wäre ein guter Anreißer für eine Rührstory.«
»Sieht schlimmer aus, als es ist«, log Pitt. Er nickte in Richtung von Giordinos Füßen. »Tut mir leid, daß ich dasselbe nicht über deine armen kleinen Treter sagen kann.«
»Ja, ja, aufs Tanzen werd’ ich wohl eine Weile verzichten müssen.« Ein Hustenanfall schüttelte Giordino, und er spuckte roten Schleim ins Wasser. »Und was jetzt?«
»Nach draußen können wir nicht wieder«, sagte Pitt nachdenklich. »Mit unseren blutenden Verletzungen locken wir jeden Hai im Umkreis von Kilometern an.« Er schwieg, blickte erst auf seine Uhr und anschließend auf das Wasser. »Uns bleiben noch zwei Stunden, bis die
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hier niedergeht.
Was hältst du davon, wenn wir uns ein bißchen umsehen würden?«
Giordinos Miene zeigte nicht die geringste Begeisterung. »Im Moment sind wir wohl kaum in der körperlichen Verfassung, uns als großartige Höhlenforscher hervorzutun.«
»Aber du weiß, wie schnell es mich langweilt, einfach nur herumzusitzen.«
Giordino schüttelte müde den Kopf. »Was tut man nicht alles für einen Freund.« Er hustete, zielte sorgfältig auf eine Krabbe, spuckte und verfehlte sie. »Aber ich glaube auch, daß alles andere interessanter ist, als den Abend mit diesen lieben Tierchen zu verbringen.«
»Und wie sieht es mit unserer Ausrüstung aus?«
»Ich hatte gehofft, du würdest diese Frage nicht stellen«, antwortete Giordino. »Ihr Zustand ist vergleichbar mit dem meiner Füße. Wir haben nichts mehr, bis auf unsere Sauerstoffflaschen, die, du gestattest den Ausdruck, in den letzten Zügen liegen, und eine Tauchermaske, zwölf Meter Nylonseil, eine Gummiflosse und diese Lampe, die anscheinend auch gerade ihre letzten Strahlen versendet.«
»Die Sauerstoffflasche brauchen wir nicht mehr. Ich versuche erst einmal ohne zu tauchen.«
Pitt stand auf und schlüpfte mit dem rechten Fuß in die Gummiflosse. Dann band er sich das eine Ende des Nylonseils um die Hüften. »Du bleibst hier brav sitzen und hältst das andere Ende des Seils. Wenn ich dreimal ziehe, verschwindest du hier, so schnell du kannst. Ziehe ich zweimal, holst du das Seil sofort ein. Wenn ich einmal ziehe, kannst du mir folgen.«
»Es wird mir hier einsam werden«, seufzte
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