Im Todesnebel
bleibst du nicht einfach hier und genießt die herrliche Aussicht?«
»Das tue ich bestimmt nicht.« Giordino lächelte ihn übermütig an. »Ich halte es für klüger, wenn wir zusammenbleiben. Ich komme schon hinterher, wenn du den Weg sicherst.«
Pitt warf einen Blick auf Giordinos blutende Wunden und sah dann an sich selbst herunter. Wir sehen wirklich aus wie eine bejammernswerte Invasionsarmee, dachte er.
»Also schön, aber bitte spiele nicht den Helden.« Pitt wußte, daß die Worte sinnlos waren.
Giordino würde ihm folgen, bis er seine letzten Kraftreserven aufgebraucht hätte. Ohne erst auf eine Antwort zu warten, wandte Pitt sich um und begann die Treppen hinaufzusteigen.
Unendlich langsam kletterten sie Stufe für Stufe den gewundenen Tunnel empor. Die einzigen Geräusche, die zu hören waren, kamen von ihrem keuchenden Atem und den Wassertropfen, die unablässig von der Decke auf den Boden fielen. Allmählich wurde der Tunnel immer enger, bis er nur noch anderthalb Meter hoch und knapp neunzig Zentimeter breit war. Und auch die Stufen ragten immer flacher aus dem ansteigenden Boden, bis sie schließlich ganz verschwunden waren.
Den Rücken gegen die feuchte Wand gepreßt, schob sich Pitt tief gebückt Zentimeter um Zentimeter den glatten Weg hinauf.
Die Batterien der Taucherlampe in seiner Hand waren fast aufgebraucht; der dünne Lichtstrahl, der durch die Glaslinse in den Tunnel fiel, unterschied sich kaum noch von dem goldenen Schimmer, der von den Wänden kam. Alle zehn Meter blieb Pitt stehen und wartete, daß Giordino wieder auf Armlänge herankam. Aber bald bemerkte Pitt, daß es mit jedem Halt länger dauerte, bis Giordino wieder zu ihm aufgeschlossen hatte.
Es war nicht mehr zu übersehen, daß die Kraftreserven seines Partners zur Neige gingen.
»Nächstes Mal suche uns bitte eine Höhle mit Rolltreppen«, keuchte Giordino. Er brauchte drei Atemstöße, um die Worte herauszubringen.
»Ein bißchen Bewegung hat noch keinem geschadet«, erwiderte Pitt. Er mußte Giordino weitertreiben. Wenn sie keine n Weg fanden, der sie wieder an die Wasseroberfläche über dem Fels brachte, dann würden sie einen einsamen Tod sterben müssen, wenn Tausende Tonnen von Gestein und Wasser nach dem Einschlag der Rakete über sie hereinbrechen würden.
Pitt ging weiter. Das Licht der Taucherlampe war kaum noch zu erkennen, und so ließ er sie einfach aus seiner Hand gleiten und auf den Steinboden fallen. Einen Augenblick blieb er zögernd stehen und sah der Lampe hinterher, wie sie den Weg zurückrollte. Aber dann schob er den Gedanken beiseite und machte den nächsten Schritt.
Plötzlich überlief Pitt eine Gänsehaut, als ein kalter Luftzug über seine Haut strich. Irgendwo vor ihm mußte eine Luftklappe oder eine Öffnung sein. Kurz darauf entdeckten seine Augen eine blaue Fläche, die in den Tunnel hing. Das Blau schien sich sanft zu bewegen und dunkle Farbtöne und Schatten auf die Felswände zu werfen. Pitt ging vorsichtig näher heran. Die Bewegungen des blauen Etwas kamen ihm nicht ungewöhnlich vor. Warum erkenne ich dann nicht, was es ist, fragte er sich benommen. Nebel schien seinen Verstand einzuhüllen – Müdigkeit drang mit jedem Pulsschlag tiefer in seinen Körper ein und legte alle Gedanken lahm.
Ein beklemmendes Gefühl der Einsamkeit, das sich nicht mehr unterdrücken ließ, stieg in Pitt hoch. Zum zweiten Mal innerhalb der letzten Stunde mußte er gegen den schwarzen Schleier ankämpfen, der sich auf seine Sinne legen wollte. Er streckte seinen Arm aus, und seine Hand strich vorsichtig über das schimmernde Blau. Seine Finger berührten ein weiches, glattes Gewebe.
»Ein Vorhang«, murmelte er vor sich hin. »Nichts als ein einfacher Vorhang.«
Er teilte die Stoffbahnen und trat in ein Märchenland schwarzglänzender Skulpturen, die in einem riesigen Raum standen, dessen Wände mit blauem Samt bespannt waren. Es waren Fische, die kunstvoll aus schwarzem Stein herausgemeißelt worden waren. Sie lagen verteilt auf einem meergrünen Teppich, der anders war als alles, was Pitt bisher in dieser Art gesehen hatte. Bis zu den Knöcheln war er in den weichen Flausch eingesunken. Er hob den Kopf und entdeckte, daß die ganze Szenerie in einem gigantischen Spiegel, der sich von Wand zu Wand spannte, noch einmal zu bewundern war. In der Mitte des Raumes stand, eingerahmt von vier springenden Seglerfischen, ein Bett, das die Form einer Venusmuschel hatte.
Auf der linken Satindecke des
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