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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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Rauchen in der Wohnung schon seit langem aufgegeben, weil ich sowieso immer verlor. Seine Hände zitterten, als er eine Spur von braunen Krümeln auf das Blättchen fallen ließ.
    »Ich fange noch mal ganz von vorne an, Al«, fing er zögernd an. »Es ist noch nicht zu spät. Schließlich bin ich erst fünfunddreißig.«
    »Super, Will. Was hast du vor?«
    »Ich gehe zu dieser Therapeutin, die mir Lolas Freundin empfohlen hat.« Er trommelte mit einem Fuß auf dem Parkett, als hätte er ein Lied im Ohr, das für niemand anderen zu hören war.
    »Deshalb also hast du dich so schickgemacht.«
    »Zum Teil«, stimmte er zu, bevor er an seiner Selbstgedrehten zog. »Ich will ihr zeigen, dass ich es ernst meine.«
    »Das wird sie wissen, sobald sie mit dir spricht. Um wie viel Uhr ist der Termin?«
    »Um zehn, in Clapham.«
    »Und was für eine Therapie bietet sie an?«
    Will zuckte mit den Schultern. »Sie benutzt Kristalle und so Zeug. Sie soll wirklich klasse sein.«
    Mein Optimismus schwand. Es gab unzählige Scharlatane auf diesem Gebiet. Sie versprachen den Verzweifelten gegen geradezu horrende Honorare Heilung, boten ihnen aber nichts als heiße Öle, Vitaminpillen und seltsame Beschwörungsformeln an. Und was für eine Therapeutin bildete sich ein, sie könnte eine bipolare Störung in den Griff bekommen, indem sie den Patienten irgendwelche Steine balancieren ließ?
    Ich biss mir auf die Lippe.
    »Ich hoffe, es wird dir helfen, Will. Vielleicht entspannt es dich ja.«
    Er drückte seine Zigarette aus. »Alice, ich müsste mir ein bisschen Kohle von dir leihen.«
    »Wie viel brauchst du?«
    Ich brach alle meine Regeln. Für gewöhnlich kaufte ich für ihn ein, füllte seinen Tank alle paar Wochen bis zum Rand mit Diesel, redete ihm zu, dass er mein Essen aß, doch ich gab ihm niemals Geld. Denn die Vorstellung, dass er sich davon Drogen kaufte, die ihn vielleicht umbrächten, war mehr, als ich ertrug.
    »Achtzig Pfund. Vierzig für die Analyse und dann vierzig für die erste Sitzung.«
    »Ich gebe dir einen Scheck, wenn du mir ihren Namen sagst.«
    »Den weiß ich nicht mehr.« Er wühlte in der Tasche seiner Jacke und zog einen Papierschnipsel daraus hervor. »Ich habe nur ihre Adresse.«
    »Okay, dann lass uns zum Geldautomaten gehen. Gib mir eine Minute Zeit, damit ich mich fertigmachen kann.«
    Ich ging in mein Zimmer, stieg in meine Laufsachen und packte meine Arbeitskleidung ein.
    »Können wir?«
    Will kauerte noch immer auf dem unbequemen Hocker, auf dem ich ihn zurückgelassen hatte. Als er mir zur Tür folgte, bemerkte ich, dass selbst sein Gang verändert war. Früher hatte er einen so schnellen Schritt gehabt, dass ich kaum hinterhergekommen war. Inzwischen aber setzte er so unsicher die Füße voreinander, dass man denken könnte, er hätte vergessen, wie man in einem gleichmäßigen Rhythmus ging.
    »Vielleicht kriege ich ja meinen alten Job zurück«, murmelte er auf dem Weg über den Providence Square.
    Ich sah ihn lächelnd an. »Oder du könntest etwas völlig Neues ausprobieren.«
    Er schüttelte vehement den Kopf. »Dafür habe ich keine Zeit. Carpe diem, hat Lola gesagt.«
    Carpe diem war ihr Motto, seit wir als leicht zu beeindruckende Teenies im Club der toten Dichter gewesen waren. Doch offenbar war ihr nicht klar, dass sich dieser Satz nicht auf Will anwenden ließ, weil er sich erst mal selbst unter Kontrolle bringen musste, ehe auch nur an den nächsten Schritt zu denken war. Wir gingen zusammen die Tower Bridge Road entlang zum Geldautomaten, und dann steckte Will die Zwanzig-Pfundscheine sorgfältig in die Tasche seiner neuen Jacke und sah mich aus tränenfeuchten Augen an.
    »Danke, Al«, murmelte er. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
    »Das weiß ich.« Ich legte kurz die Hand an seine Wange und blickte ihn fragend an. »Und wo gehst du jetzt hin? Bis zu deinem Termin hast du noch ewig Zeit.«
    »Ich gehe wieder zurück zu dir und mache für Lola Frühstück.«
    »Klingt, als ob du eine neue beste Freundin hättest.«
    »Sie ist einfach brillant«, erklärte er und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Das war mir bisher gar nicht klar.«
    Ich umarmte ihn und sah ihm hinterher, wie er mit seinen seltsam unsicheren Schritten eilig die Straße hinunterlief. Er sah aus, als würde ihn schon die leichteste Brise einfach umwehen.
    Auf der Tower Bridge Road herrschte bereits dichter Verkehr. Zahlreiche Autos stießen ihre Abgase in die Luft, während ihre Fahrer in die City drängten,

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