Im Totengarten (German Edition)
verdammte Ampel endlich auch einmal für sie auf Grün umsprang.
»Durch reines Glück. Sie saß noch im Keller, als wir Ray Benson verhaftet haben. Wir hörten ständig irgendwelche leisen Klopfgeräusche, kamen aber erst nach einer halben Ewigkeit dahinter, woher dieses Klopfen kam. Im Boden seines Schuppens gab es eine Falltür, die mit fünf verschiedenen Zahlenschlössern gesichert war. Es war wie in einem dieser blöden Horrorfilme, die man seine Kinder garantiert nicht gucken lässt. Die Zelle, in der sie hockte, war zwei Meter lang und einen Meter hoch. Nicht mal groß genug, um darin zu stehen, und vor allem eisig kalt.«
»Wie lange war sie da unten eingesperrt?«, erkundigte ich mich.
»Fünfzehn Tage.« Burns atmete zischend ein. »Und nach allem, was ihr diese Schweine angetan hatten, hat sie fast ein halbes Jahr im Krankenhaus verbracht.«
Er bog in die Wilmer Gardens, eine schmale Sackgasse mit niedrigen Wohnblocks aus den 70er Jahren, von deren Balkonen aus man auf gepflegte Gemeinschaftsgärten und Kirschbäume sah.
»Nicht übel«, meinte ich. »Und auch die Gegend ist nicht gerade schlecht.«
»Wir haben uns dafür eingesetzt, dass sie eine anständige Unterkunft bekommt. Der Kindergarten, in dem sie arbeitet, ist nicht weit von hier.«
Während ich dem DCI über eine blitzsaubere Treppe folgte, sagte ich mir, dass es völlig logisch wäre, dass jemand wie Cheryl Martin sich um Kinder kümmern wollte. Weil sich um sie selbst nie jemand gekümmert hatte, hatte sie den Spieß ganz einfach umgedreht und beschlossen, ihrerseits für andere da zu sein.
Oben an der Treppe blieb Burns stehen und atmete tief durch, als hätte er soeben in Rekordzeit den Ärmelkanal durchquert.
Ehe er Gelegenheit bekam, zu klopfen, sprang bereits die Wohnungstür auf, und eine junge Frau mit einer Wolke dunkler Locken fiel ihm um den Hals. Sie hatte farbverspritzte Jeans und ein ebenfalls fleckiges Sweatshirt an.
»Na, kommst du gerade vom Paintball, Cheryl?«, fragte er und sah sie lächelnd an.
»Ich streiche gerade mein Schlafzimmer. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die Farbe nicht vielleicht zu kitschig ist.«
Mich hatte sie bisher noch nicht begrüßt, denn sie hatte viel zu viel damit zu tun gehabt, sich über Burns’ Besuch zu freuen.
»Das ist Alice.« Burns nickte mir zu. »Sie arbeitet für mich.«
Das Mädchen reichte mir die Hand. Sie musste bereits Mitte zwanzig sein, aber mit dem Grübchen in den Wangen sah sie eher wie achtzehn aus.
»Kennen Sie sich mit Farben aus?«, fragte sie in hoffnungsvollem Ton.
»Ich fürchte, nein. Ich nehme immer Weiß, weil das zu allem passt.«
»Kommen Sie, und sehen Sie es sich trotzdem einmal an. Ich fürchte, dass mir vielleicht gerade ein schrecklicher Fehler unterläuft.«
Cheryl führte uns durch einen zart pinkfarbenen Flur. Beide Wände waren mit Blumen- und mit Kätzchenbildern dekoriert, und es sah aus, als hätte ein zehnjähriges Mädchen diesen Raum nach seinem Geschmack gestalten dürfen. Dann zeigte sie uns ein kleines Schlafzimmer, in dem auf einer schmutzig beigefarbenen Wand ein erster Fleck leuchtenden Veilchenblaus zu sehen war.
»Und, was meinen Sie?« Cheryl sah mich ängstlich an, als bekäme sie möglicherweise eine schlechte Note für ihren Geschmack.
»Sie haben gut gewählt«, erklärte ich. »Sieht unglaublich frisch und sauber aus.«
Burns unterzog ihr bisheriges Werk einer eingehenden Untersuchung. »Du machst deine Sache ausgezeichnet, Cheryl«, lobte er. »Ich sehe nirgendwo auch nur den allerkleinsten Fleck, und nirgendwo ist irgendwas verschmiert.«
Sie fiel ihm noch einmal um den Hals.
»Schon gut, Mädchen«, murmelte er, wobei er ihr halb erfreut und halb verlegen den Rücken tätschelte.
Schließlich gingen wir in Cheryls Wohnzimmer, und sie kochte uns einen Tee. Sie hatte eindeutig kein Geld, gab sich aber die allergrößte Mühe, um ihr Zuhause möglichst wohnlich zu machen. Auf den großen weißen Couchtisch, der der Mittelpunkt des Raumes war, hatte sie zum Beispiel mit verschiedenen Schablonen hübsche Silberblätterranken aufgemalt.
»Ist dies ein Privatbesuch?«, erkundigte sie sich, als sie mit einem Tablett aus ihrer kleinen Küche kam.
»Nicht ganz«, räumte der DCI, wenn auch widerstrebend, ein, und sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.
»Das alles ist sechs Jahre her, Don, und ich habe endlich aufgehört, darüber nachzudenken, was damals geschehen ist.« Innerhalb einer Sekunde hatte ihre
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