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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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konnte, dass er ständig unzufrieden war. Sonntags zerrte er uns immer alle in die Kirche, saß gesenkten Hauptes in der Bank und machte auf diese Weise reinen Tisch. Kaum aber waren wir wieder zu Hause, fing der alte Kreislauf wieder an. Und auch meine Mutter wurde dann zu einem Monster. Denn sie kreischte jeden Morgen rum, bis auch mein Vater schrie. Und dann ließ er an ihr oder an mir seinen Ekel vor sich aus.
    Mein Bruder war dabei immer sein Publikum. Deshalb hatte Will sich bei den Bensons sicher wie zu Hause gefühlt. Sie waren noch extremer, aber die Dynamik hatte er bestimmt sofort erkannt. Zwei Monster, die alles zerstörten, was sie sahen. Cheryl Martin hatte mir erzählt, Will wäre Bensons rechte Hand gewesen, er hatte also sicher fürchterliche Verbrechen dort gesehen. Bisher hatte ich mich rundheraus geweigert, ihn mir vorzustellen, wie er an der Wand des Hauses lehnte und mit ansah, wie die Mädchen verzweifelt um Gnade flehten und nach ihren Müttern schrien. Vielleicht war er danach sogar Marie zur Hand gegangen und hatte die Leichen in die schwarze Plastikfolie eingepackt.
    Mir wurde schlecht, und eilig lenkte ich meine Gedanken in die Gegenwart zurück.
    Mein Rücken tat mir weh, doch zumindest funktionierten meine Beine noch. Ich stemmte meine Füße gegen eine Wand und trat mit aller Kraft dagegen, ohne dass sie dadurch nachgab. Also legte ich die Beine wieder ab, und sofort schwirrten neue grauenhafte Überlegungen durch meinen Kopf. Ich konnte nichts dagegen tun.
    Lola war wahrscheinlich tot. Er hatte ihre Kiste leer geräumt, um Platz für mich zu haben, also hatte er sie zwischenzeitlich umgebracht. Wahrscheinlich hatte man die Leiche bisher noch gar nicht entdeckt, und sie lag mit allen ihren Wunden irgendwo herum.
    Über das, was nun geschah, hätte sich Lola ganz bestimmt gefreut. Jahrelang hatte ich sämtliche Gefühle unterdrückt, aber in dem Moment brach ich in Tränen aus und heulte, bis die Augenbinde, die ich trug, nur noch ein nasser Lappen war.
    Langsamen, gemessenen Schrittes kam er einen langen Gang herab, und plötzlich war mir klar, was die Leute meinten, wenn sie sagten, sie wären vor Angst gelähmt. Meine Finger wurden taub, und meine Lippen kribbelten, als ich mühsam um Atem rang. Mein Herz fing an zu rasen, als ich hörte, dass er an den Schlössern meiner Kiste rüttelte. Und dann klappte mit einem Mal der Deckel auf.
    Ich konnte nicht viel sehen, aber es schien heller Tag zu sein. Weil ein wenig Licht durch meine Augenbinde fiel.
    Als er meine Schultern packte und mich hochriss, zuckte ein so greller Schmerz durch meinen Kopf, dass ich fast in Ohnmacht fiel. Ich fuhr erschreckt zusammen, als er mein Gesicht berührte und an meinem Knebel riss. Am schlimmsten jedoch war sein Geruch. Er verströmte einen überwältigenden Ammoniakgestank, als hätte er seinen ganzen Körper in ein Bleichmittel getaucht.
    Mein Hals war derart trocken, dass ich nicht das leiseste Geräusch herausbekam. Etwas Hartes stieß an meine Lippen und an meine Zähne, als er mich zum Trinken zwang. Einen Teil des Wassers konnte ich herunterschlucken, doch der Rest lief über meine Brust. Er hatte es anscheinend eilig, denn er kippte mir die Flüssigkeit viel schneller in den Mund, als ich sie schlucken konnte, und er keuchte dabei laut, als wäre er total erschöpft.
    Ich drehte meinen Kopf zur Seite.
    »Langsam. Wenn ich nicht ersticken soll.«
    Er hielt kurz den Atem an. Vielleicht unterdrückte er ein Lachen. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass er von einem Opfer Anweisungen bekam.
    Dann hörte ich wieder Schritte und das Rasseln von Metall auf Holz, und als er mich hochhob, blieb mein Kleid irgendwo hängen, und der Stoff zerriss. Ein kalter Metallring bohrte sich in meine Hüfte, und ich brauchte einen Augenblick, bis ich begriff, dass ich auf einem Eimer saß. Er bewegte sich ein Stückchen von mir weg und wartete darauf, dass ich meine Blase leerte. Vielleicht war er die Reinigung der Kiste zwischen den verschiedenen Mädchen ja inzwischen leid.
    »Wissen Sie, Sie könnten ruhig mal etwas sagen«, maulte ich. »Wovor haben Sie Angst?«
    Der Schlag kam aus dem Nichts. Er landete auf meinem Kiefer und war heftig genug, dass ich das Gleichgewicht verlor. Mir blieb keine Zeit, um meinen Sturz durch Aufstützen des Armes abzumildern, und vor allem baumelten meine gefesselten Hände wie ein totes Gewicht vor meinem Bauch.
    Als ich zu Boden ging, verrutschte meine Augenbinde, aber das, was ich

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