Im Visier des Verlangens
erfasste sie ein Strahlenbündel der Sonne, die durch den Nebel brach. Metall blitzte gleißend auf, ehe sie klatschend ins Wasser fiel und versank.
Kate fühlte sich plötzlich unbeschreiblich erleichtert.
„Jetzt, mein Schatz“, sagte Ned, „hast du einen Platz, wo du die Frauen, die deine Hilfe brauchen, unterbringen kannst, ein Haus, das bequemer ist als eine Schäferhütte. Ich finde, du solltest es deinen Eltern zeigen, wenn sie uns demnächst in London besuchen.“
Kate schluckte gegen den Knoten in ihrer Kehle an. Und dann drehte sie sich langsam im Kreis und betrachtete das Haus mit anderen Augen. Es war kein Herrenhaus, aber solide gebaut und groß genug, um seinen Zweck zu erfüllen. Es war nicht irgendein Haus, es war ein Zeichen der Hoffnung. Ein sichtbares Versprechen, dass Ned sich nicht von ihr abwendenwürde, wenn sie sich als stark und eigenständig erwies. Es war ein Aufruf an sie, den Menschen, die ihr etwas bedeuteten, zu zeigen, wie glänzend sie strahlen konnte.
„Glaube mir“, fuhr Ned fort, „sobald deine Eltern und deine Freunde sich von ihrem Schock erholt haben, werden sie stolz auf dich sein. Das verspreche ich dir.“
„Woher wusstest du?“, fragte sie mit bebender Stimme. „Woher wusstest du, was ich mir wünsche, bevor ich es selbst wusste?“
„Ganz einfach“, sagte er lächelnd und schlang die Arme um sie. „Weil ich dich liebe.“
EPILOG
Sechs Monate später
N ach einem langen Winter begannen die Bäume endlich wieder hellgrüne Blätter zu treiben. In den schwarzen Furchen der gepflügten Äcker keimte die neue Saat auf. Ein erbitterter Streit war vor Gericht ausgefochten worden, der nur auf massiven Druck des Marquess of Blakely beendet wurde. Endlich erlangte Louisa ihre Freiheit und das Sorgerecht für ihren Sohn. Als wolle er die kalten Monate des Bangens und Hoffens vergessen machen, zog der Frühling mit großem Gepränge ins Land.
So nervenzerrüttend diese Zeit auch gewesen war, Kate hatte sie bewältigt, weil Ned ihr zur Seite stand. Nun schlenderte sie Arm in Arm mit ihrem Gemahl über die blühende Wiese. In einiger Entfernung neben der Koppel, wo Champion einst gestanden hatte, saßen Jenny und Louisa auf einer Decke, neben ihnen spielten ihre Kinder im Gras. Mit dem Frühling hatte der kleine Jeremy beschlossen, auf seinen eigenen dicken Beinchen zu watscheln. Und Jennys um ein paar Monate ältere, ständig plappernde Tochter Rosa war selig, einen neuen Spielgefährten zu haben, den sie wie eine kleine Puppenmutter herumschleppen konnte.
„Habe ich dir eigentlich je erzählt“, fragte Ned sinnend, „wie Champion mich in jener Nacht, als ich mir das Bein brach, gerettet hat?“
„Nein. Wie denn?“
„Ich klammerte mich völlig entkräftet an der Umzäunung fest, denn es war mir unmöglich, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich war am Ende. Und dann donnerte Champion heran, ein feuriger Hengst, der vor nichts und niemandem zurückschreckte.“
„Um Himmels willen. Hast du ihn deshalb weggegeben?“ Ned lächelte. „Ich glaubte, keinen Schritt mehr weiter gehen zu können. Aber mein Überlebenswille war stärker. Und plötzlich konnte ich mich wieder bewegen. Das war eine sehr heilsame Erfahrung.“
Er blieb stehen und pflückte einen Löwenzahn. „Ich wollte, dass es ihm besser geht, weil ich daran glauben wollte. Wenn Champion sich mit dem Leben versöhnen konnte, würde auch ich es schaffen. Was mir damals fehlte, war die Erkenntnis, dass ich bereits gerettet war. Und ich musste einsehen, dass Champion etwas anderes brauchte als meine Erwartungen an ihn. Er brauchte jemanden, der ihm keine Aufgaben stellte, keine Erwartungen an ihn hatte, außer der, Heu und Hafer zu fressen.“ Ned lächelte Kate an. „Und wie ich von dem alten Vikar hörte, fühlt Champion sich auf seiner Weide, zusammen mit zwei alten Ziegen, ohne andere Pferde und ohne bedrohliche Menschen, richtig wohl.“
Nur Ned war imstande, sich um das Wohl eines verstörten geschundenen Gauls zu kümmern, der ihn bedroht hatte. Kate lächelte. „Bist du nicht ein wenig enttäuscht, all deine Drachen gezähmt zu haben? Was stellst du nur mit deinen langweiligen Nachmittagen an?“
Er schlang den Arm um ihre Mitte und zog Kate an sich. „Ich mache dir ein Geständnis“, raunte er an ihrem Ohr. „Mit dir an meiner Seite sind alle Drachen zahm.“
„Hast du nicht das Bedürfnis, zu kämpfen, um dir irgendetwas zu beweisen?“
Er zuckte mit den Schultern. Kate
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