Im Visier des Verlangens
Mitgefühls in die Augen blickte. „Nicht den kleinen Jeremy. Was für ein bösartiger barbarischer und herzloser Mensch kann dem kleinen Engel so etwas antun?“
Ihre Worte mochten in einer Lüge begründet sein, aber die Gefühle, die in ihr aufwallten, waren echt. Sie konnte nur hoffen,dass die Anwesenden ihre Rede als Anteilnahme für Harcroft auslegten und nicht als bittere Anklage gegen ihn.
Er konnte zwar nicht wissen, was in ihr vorging, aber wohl war ihm dabei augenscheinlich nicht zumute. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, und er wandte den Blick ab.
„Wie gesagt“, murmelte er, „bisher gab es keinerlei Drohungen oder Forderungen.“
„Wie kann ich helfen?“, fragte Ned. „Deshalb seid ihr gekommen, sobald ihr erfahren habt, dass ich wieder im Lande bin, nicht wahr? Weil …“ Er stockte und studierte die sorgsam beherrschten Mienen der Gäste. „Aber nein. Keiner von euch konnte etwas von meiner Rückkehr gewusst haben.“
„Sie sind gekommen, um mit mir zu sprechen“, erklärte Kate in das angespannte Schweigen. „Um zu erfahren, ob Louisa mir etwas Wichtiges anvertraut hat.“
Der Marquess of Blakely trat einen Schritt näher. Ein hochgewachsener Draufgänger, der vor nichts zurückschreckte. Er wirkte sehr einschüchternd, und Kate wich unwillkürlich zurück. „Und, hat sie das?“
Kate zog die Stirn kraus, als versuche sie sich zu erinnern. „Wir hatten ins Auge gefasst, uns beim Hausball der Hathaways im November zu treffen, sofern der Zustand der Straßen es erlaubt. Sie hat mir gegenüber keinerlei andere Pläne erwähnt.“
Was auch stimmte. Kate war es gewesen, die sie zur Flucht überredet hatte. Kate hatte die Pläne geschmiedet und alle Vorkehrungen getroffen; Louisa hatte lediglich zugestimmt.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat nicht den Wunsch geäußert, eine andere Einladung anzunehmen. Oder … Verzeiht meine freimütige Rede, aber unter den gegebenen Umständen erscheint es mir angebracht, offen zu sprechen … oder anderweitige Besuche zu machen. Louisa ist keine Frau, die auf Abwege geraten würde.“
Ihren Worten folgte betretenes Schweigen.
„Vielleicht“, bohrte Harcroft nach, „unterziehen Sie sich der Mühe, Ihr Gedächtnis zu erforschen, ob sie vielleicht dienähere Umgebung von Berkswift erwähnte. Gestern Abend wurde nämlich eine Frau ohne Begleitung gesehen, auf die Louisas Beschreibung zutrifft. Sie ist in Haverton, keine fünf Meilen von hier, einer Droschke entstiegen. Der Wagen wurde in London gemietet, und der Vorfall erregte einiges Aufsehen.“
„Eine Frau ohne Begleitung? Sie hatte kein Kind bei sich? Wohin wollte sie?“
„Kein Kind. Nur eine Frau mit kastanienrotem Haar und auffallend blauen Augen. Es kann sich nur um Louisa gehandelt haben.“
„So muss es wohl sein“, meinte Kate gedehnt, dann schüttelte sie den Kopf. „Aber Louisa hätte Jeremy niemals in fremde Hände gegeben. Das ist vollkommen ausgeschlossen.“ Genau das war der heikle Punkt in ihrem Plan gewesen – Louisa zu überreden, ihr Kind von Kate nach London bringen zu lassen, um auszuschließen, dass sie auf ihrer Flucht erkannt wurde. Eine rothaarige Frau mit einem Neugeborenen wäre ebenso auffällig gewesen wie ein Leuchtturm an der Küste.
„Aber vielleicht“, erklärte Kate in einem waghalsigen Vorstoß, „haben Sie die Güte, mir anzuvertrauen, was vorgefallen sein könnte, um ihre überstürzte Abreise zu erklären. Das könnte meinem Gedächtnis eventuell auf die Sprünge helfen.“
Sie wollte nicht die Einzige in dieser Runde sein, die Lügen verbreitete. Mal sehen, ob Harcroft gestand, dass er Louisa mit Fäusten in den Magen geschlagen und ihr angedroht hatte, ihrem Säugling den Arm zu brechen, wenn sie auch nur ein Wort darüber verlauten ließ.
„Ich kenne andere Methoden, um Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.“ Harcroft näherte sich ihr.
Im ersten Moment wich Kate etwas zurück. Sie war es schließlich, die wusste, zu welchen Gewalttaten er fähig war. Doch schon trat Ned an ihre Seite. Es war töricht, sich in der Nähe des Mannes sicher zu fühlen, der sie vor einigen Jahren im Stich gelassen hatte. Dennoch fühlte sie sich auf seltsame Weise geborgen.
„Zum Beispiel“, fuhr Harcroft höflich fort, als habe er nicht soeben eine Drohung ausgesprochen, „schlage ich vor, Sie denken in Ruhe darüber nach, und wenn Ihnen etwas Wichtiges einfällt, lassen Sie es mich wissen.“
„Aber natürlich. Ich schicke
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