Im Visier des Verlangens
wichtiges Gespräch ohne sie zu beginnen, als Gipfel der Unhöflichkeit.
Harcroft gab einen verächtlichen Laut von sich. „Wieso warten? Wozu könnte sie uns nützlich sein? Bei einem Einkaufsbummel?“ Er schüttelte den Kopf. „Würde meine Frau sich irgendwo in der Bond Street verstecken, würde ich michgern an Lady Kathleen um Aufklärung wenden.“
Ned stutzte bei seiner unterschwelligen Beleidigung.
„Ja, ja.“ Wegwerfend wedelte Harcroft mit der Hand in Neds Richtung. „Ich weiß. Du fühlst dich verpflichtet, sie zu verteidigen. Aber mal ehrlich, manchen Frauen steht nun mal nicht der Sinn nach ernsthaften Belangen des Lebens. Ich will ihre Talente keineswegs schmälern. Sie versteht sich glänzend darauf, Einladungen zu organisieren und Schränke voller Hüte und Handschuhe zu kaufen. Aber glaube mir, Ned, wir sind alle besser dran, Lady Kathleens Hilfe in den nächsten Tagen auf die Menüfolge zu beschränken.“
In diesem Augenblick betrat Kate das Zimmer, gefolgt von einem Diener mit dem silbernen Teetablett. Sie mied Neds Blick. Sie mied auch die Blicke der Gäste. Zudem verlor sie kein Wort über das vorangegangene Gespräch. Sie sagte überhaupt nichts. Ned spürte allerdings an der bedachten Art, mit der sie die goldgeränderten Tassen und Gurkensandwichs verteilte, dass sie Harcrofts Rede gehört hatte. Und er spürte ihre Verletzung.
Schlimmer war, dass niemand etwas zu ihrer Verteidigung gesagt hatte. Auch er nicht. Und aus der Art, wie sie sich auf das Einschenken des Tees konzentrierte, schloss er, dass auch diese Kränkung in ihr rumorte.
Kate nahm auf einem Stuhl in einigem Abstand Platz, als gehöre sie nicht dazu. Während Harcroft seine Pläne zur Befragung der Dorfbewohner und die Zusammenstellung eines Suchtrupps darlegte, blickte Kate stumm in ihre Teetasse. Und Ned konnte sich sein Unbehagen nicht erklären, während er sie heimlich beobachtete. Sie wirkte würdevoll und gelassen, jeder Zoll die Tochter eines Dukes.
Aber sie wirkte auch verletzt. Und er hatte das unbestimmte Gefühl, er habe etwas vergessen.
Nicht sie. Kate hatte er nie vergessen. Auch ihr Eheversprechen nicht. Er hatte lange und schwer mit sich gerungen, wie er Kate einerseits achten und ihr andererseits seine dunklenSeiten verheimlichen könnte.
Nein. Nach ihren Worten in der Eingangshalle war ihm klar geworden, dass er sich ihr gegenüber falsch verhalten hatte, wusste aber nicht, wie er dieses Unrecht wiedergutmachen könnte. Wenn überhaupt. Sie hatte gesagt, ihre Ehe würde in einem Windhauch vergehen, und er hatte keine Ahnung, wie er ihrer Beziehung wieder Leben einhauchen könnte, ohne seine dunklen Dämonen gleichfalls zum Leben zu erwecken. Allerdings war ihm auch klar, dass er nie wieder in den Spiegel schauen könnte, wenn er jetzt schwieg, wenn er nicht versuchte, die Kränkung, die ihr soeben zugefügt worden war, von ihr zu nehmen.
Er stand auf und ging zu ihr. Hinter ihm schimpfte Harcroft weiter. „Heutzutage“, brummte er, „schert sich kein Mensch mehr um die Rechte des Ehemanns, bei all den neumodischen Flausen, die den Frauen in den Kopf gesetzt werden.“
Ned betrachtete Kates seidige Wimpern, die sie nicht dunkel tuschte. Während sie die Lider gesenkt hielt, flatterten die feinen Härchen. Ohne den Blick zu Ned zu heben – er war nicht einmal sicher, ob sie spürte, wie dicht er neben ihr stand –, stieß sie den Atem aus, gab noch einen Löffel Zucker in die Tasse und noch einen.
Sie hatten nur eine sehr kurze Zeit miteinander verbracht. Aber von ihren gemeinsam verbrachten Stunden beim Frühstück wusste Ned, dass seine Frau ihren Tee ungesüßt trank.
„Es ist doch eine unleugbare Tatsache“, schwadronierte Harcroft im Hintergrund, „dass die Macht des Britischen Königreiches auf den Rechten von Männern beruht.“
„Die Rechte von Männern“, murmelte Kate. „Von wegen.“
„Kate?“
Sie zuckte zusammen, die Tasse klirrte auf dem Unterteller. „Das ist schon das zweite Mal heute, dass du dich von hinten anschleichst. Willst du mich erschrecken?“
Ned wusste nicht, wie er sich verhalten sollte und versuchte, ihr wenigstens ein Lächeln zu entlocken.
„Störe ich dich bei einer Unterhaltung mit der Teetasse?“
Kate senkte den Blick. Der Tee in ihrer Tasse hatte sich durch die Unmengen zugefügten Zuckers in dickflüssigen Sirup verwandelt. Aber sie schwieg.
„Offenbar“, fuhr Ned fort. „Zweifellos hast du mit deinem Tee eine Menge zu besprechen.
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