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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Kann man diesen Brei eigentlich noch Tee nennen?“ Erstaunt sah sie zu ihm auf. „Aber es liegt mir fern, deine Bemühungen zu schmälern, Tee in Konfitüre verwandeln zu wollen.“
    Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihre Lippen, und sie stellte das völlig überzuckerte Getränk ab. Ohne eigentlich zu wissen wieso, griff er nach ihrer schmalen Hand.
    „Lass mich raten“, fuhr Ned fort, „ich habe wieder einen Fauxpas begangen. Verzeih, aber ich hatte in den letzten Jahren kaum Gelegenheit, die Regeln der Etikette zu beachten. Als Tochter eines Herzogs bist du natürlich in allen diesbezüglichen Fragen bewandert, und laut unserem Adelsführer Debrett heißt das …“
    „Bin ich nicht!“, fiel sie ihm ins Wort, wobei der belustigte Glanz nicht aus ihren Augen wich. Wenn er sie zum Lachen bringen könnte, würde er vielleicht Zugang zu ihr finden. Vielleicht könnte er die Kluft zwischen ihnen mit Humor überbrücken.
    „Wie? Du bist nicht die Tochter eines Herzogs?“ Er ließ den Blick in gespielter Verwirrung über die Anwesenden schweifen. „Wusste einer von euch davon? Ich jedenfalls hatte keine Ahnung.“
    Ihre Finger bewegten sich in seiner Hand, und er wurde wieder mit einem zaghaften Lächeln von ihr belohnt. Auch daran erinnerte Ned sich – an seine Versuche, sie beim Frühstück zum Lachen zu bringen, bis sie sich beinahe an ihrem Toast verschluckte und ihn tadelte, sie zum Husten gebracht zu haben.
    „Sei nicht albern“, schalt sie.
    „Warum nicht?“
    Sie legte den Kopf schräg. Und plötzlich wusste er wieder, warum ihm auch alltägliche Gespräche mit ihr gefährlich werden konnten. Wenn sie zu ihm aufblickte, schien die Zeit stehen zu bleiben. Und für einen kurzen Moment war ihr Blick wie der von Delilah, mit dem sie Samson in ihren Bann gezogen und seiner Kraft beraubt hatte. Dieser Blick ließ Ned wissen, dass Kate in sein Inneres sehen konnte, durch die Tünche seines Humors die schändliche Wahrheit erkannte, warum er sie verlassen hatte. Vielleicht ahnte sie, wie verzweifelt er sich an die Reste seiner Selbstkontrolle klammerte … und wie nahe sie daran war, ihm diesen Rest zu rauben.
    Kate hatte eine Bedrohung für ihn dargestellt, als er sie geheiratet hatte. Sie war eine verwirrende Mischung aus Offenheit und Verschleierung, ein Rätsel, das einen gefährlichen Sog auf ihn ausübte. Damals hatte er sich in hochfliegende Tagträume verloren. Er wollte ihre Drachen töten, hätte sogar welche erfunden, wenn sie nicht genügend dieser Reptilien aufzuweisen gehabt hätte. Kurzum, er war im Begriff gewesen, einen Rückfall in seinen Jugendwahn zu erleiden, dem er abgeschworen hatte.
    Also hatte er die Flucht ergriffen. Er hatte England den Rücken gekehrt mit der fadenscheinigen Begründung, sich um Blakelys Geschäfte im Orient zu kümmern. Ein nüchternes Unterfangen und ein Auftrag, der großen Sachverstand und Durchsetzungsvermögen erforderte. Und er hatte bewiesen, dass er diese Fähigkeiten besaß. Er war nach England zurückgekehrt in der festen Überzeugung, dass er seine jugendlichen Fantasien endgültig überwunden hatte.
    „Willst du wieder mal den Hofnarren für mich spielen?“ In ihrem Antlitz las er all die drohenden Gefahren wie in großen Lettern geschrieben. Er las auch ihre Trauer und verspürte den Wunsch, sie ihr zu nehmen. Aber er sah noch mehr: Willenskraft und Stärke, die in der Frau, die er verlassen hatte, noch nicht vorhanden gewesen waren.
    Er war mit dem Vorsatz nach England zurückgekehrt, seineGemahlin mit ritterlicher Zuvorkommenheit zu behandeln. Er wollte ihr beweisen, dass er ihr Vertrauen verdiente, dass er nicht länger der dumme grüne Junge war, der sich in waghalsige Abenteuer stürzte.
    Ihr Lächeln löste eine Wärme in ihm aus, die ihm das Herz weitete.
    In dieser Sekunde verspürte er den Wunsch, sich ihr völlig zu öffnen. Sie sollte alles wissen: seinen Kampf um inneren Halt, die mörderische Schlacht, die er gewonnen hatte. Und er wollte ergründen, warum sie sich von den anderen absonderte, als gehöre sie nicht in deren Kreis.
    Welch törichte Gedanken. Er hatte zu lange um seine Beherrschung gerungen und war keineswegs bereit, sie bei der ersten Gelegenheit wegen eines hübschen Lächelns aufzugeben. Auch nicht für das Lächeln seiner Frau.
    „Nein“, sagte er schließlich. „Du hast völlig recht. Das ist vorbei. Ich spiele nicht mehr den Narren. Auch nicht für dich, Kate. Nicht einmal für dich.“
    Der Geruch nach Heu

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