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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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habe. Halten Sie diesen Gedanken immer noch fest? Halten Sie ihn ganz fest, damit er nicht entschlüpfen kann. Haben Sie ihn? Gut. Nun stehen Sie auf.“
    Argwöhnisch sah sie ihn an. „Soll das ein Trick sein?“
    „Lady Harcroft, wenn ich die Absicht hätte, Sie zu verraten, bräuchte ich keine Tricks. Ich wäre zusammen mit Ihrem Mann und zwölf bewaffneten Männern gekommen, um Sie festzunehmen. Ich bleibe auf den Knien, und Sie stehen auf.“
    Zögernd kam sie auf die Füße und wollte die Arme hängen lassen.
    „Vorsicht!“, warnte er scherzhaft. „Sie dürfen den Gedankennicht fallen lassen. Sie müssen ihn mit beiden Händen festhalten.“
    „Aber meine Hände sind leer.“
    „Unsinn. Sie spüren den Gedanken in Ihren Händen, auch wenn Sie ihn nicht sehen können. Sie spüren sein Gewicht, das Ihre Schultern krümmt. Und wenn Sie mit dem Daumen darüber streichen, fühlen Sie seine Oberfläche. Wie fühlt er sich an?“
    Lady Harcroft starrte auf ihre leeren Hände. „Es fühlt sich hart und stachelig an“, sagte sie leise. „Voller Bitterkeit und Selbstanklagen.“
    „Gut. Ich stehe jetzt auf.“ Ned kam hoch, ging rückwärts zur Tür, öffnete sie weit und trat beiseite, um den Eingang für Lady Harcroft freizumachen. Dann lud er sie mit einer Armbewegung ein, vorzutreten.
    Vorsichtig näherte sie sich der offenen Tür.
    „Jetzt kommt der schwierige Teil. Holen Sie mit den Armen weit aus … ja, etwa so … und schleudern sie den Gedanken so weit wie möglich von sich.“
    „Aber …“
    „Werfen Sie Ihren Gedanken aus der Tür wie stinkenden Abfall. Diese Art zu denken hat keinen Platz in Ihrem Leben. Es war nicht Ihre Schuld. Es ist niemals Ihre Schuld, wenn ein Mann Sie misshandelt.“
    Sie warf ihm einen zaghaften Blick zu.
    „Los! Nur Mut! Werfen Sie ihn weg!“
    „Aber ich habe doch gar nichts in der Hand.“
    „Dann zögern Sie nicht, dieses Nichts wegzuwerfen.“
    Dürftige Logik. Allerdings hatten die Selbstzweifel, die sein eigenes Herz zerfraßen, auch nichts mit Logik zu tun gehabt. Aber er hatte tausend Wege gefunden, um sie loszuwerden.
    Stockend holte Louisa Atem und trat auf die Schwelle. Ihr Blick fixierte einen Punkt in der Talsenke. Dann hob sie langsam die Hände in Brusthöhe und mimte einen Wurf – der ungeschickte Wurf eines Mädchens, halbherzig und zaghaft.Ein Wurf, der einen Mann beim Kricket dazu veranlassen würde, die Augen zum Himmel zu drehen – aber immerhin ein Wurf. Und dann wandte sie sich Ned zu und schenkte ihm ein scheues Lächeln.
    „Geschafft. Und fühlen Sie sich besser?“
    „Das“, sagte sie und entfernte sich wieder von der Tür, „kann doch nichts bewirken. Es ist völlig absurd.“
    Ned schloss die Tür hinter ihr. „Aber es hilft, habe ich recht?“
    „Sie verstehen sich auf Zaubertricks, Mr Carhart. Woher wussten Sie? Hat Kate Sie geschickt, um mich aufzuheitern?“
    Gelassen zuckte Ned mit den Achseln. Er wusste, weil … er eben wusste. Er kannte Zweifel und Unsicherheit. Er hatte gegen seine Ängste gekämpft. Und er hatte sie bezwungen, verdammt noch mal. Endlich.
    Es war bedeutungslos, dass er zu billigen Tricks greifen musste, um seine Überlegenheit zu behaupten. Es hatte nichts zu bedeuten, dass er sich in ausweglos scheinenden Momenten immer noch an diese Zaubertricks klammerte, nur um sich behaupten zu können. Wichtig war nur, dass er den Sieg davontrug, jedes verdammte Mal.
    „Ich kenne mich eben mit Absurditäten aus“, antwortete er munterer, als ihm zumute war. „Was meine Frau betrifft …“ Er ließ den Blick durch die Hütte schweifen, und wieder traf ihn eine Erkenntnis. Kate hatte an alles gedacht. Es gab Nahrungsvorräte. Einen kleinen Waschzuber, in dem zweifellos die Windeln gewaschen worden waren, etwas, woran Ned nie im Leben gedacht hätte. Sie hatte alles sorgfältig geplant und organisiert wie für eine feindliche Belagerung. Mit einem Blick in die angrenzende Kammer nahm er die schattenhafte Gestalt eines Kindermädchens mit einem Säugling im Arm wahr.
    Und er hatte Kate bislang für verwöhnt und oberflächlich gehalten, für ein zerbrechliches Porzellanpüppchen. Nun stellte er fest, dass sie eine klar denkende Frau war, die alle Fäden in der Hand hielt, an denen sie Männer wie Marionettentanzen lassen konnte.
    „Meine Frau“, sagte er gedehnt, „wird Ihnen wieder Eier bringen.“
    Lady Harcroft hob das Kinn. „Bitte grüßen Sie Kate und danken ihr. Und Ihr Rat, Mr Carhart, ist mir ebenso

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