Im Visier des Verlangens
Zimmer und setzte sich neben ihn. Unter ihrem Gewicht gab die Matratze ein wenig nach, wodurch sein Oberkörper sich ihr zuneigte. Ned wich nicht zurück, rückte aber auch nicht näher, sondern sah sie nur aus dunklen großen Augen an.
„Ich friere.“
Er zog sie nicht wie erhofft an sich, beobachtete sie nur wachsam. „Ich verliere nicht gern die Kontrolle.“
Kate tastete mit den Fingern nach seiner freien Hand, die sich warm anfühlte, trotz der Kälte im Zimmer. „Ned“, flüsterte sie, „lass mich an deiner Kontrolle teilhaben.“
Ein unmerkliches Beben durchfuhr ihn. Kate nestelte an der Schleife ihres Negligés und streifte sich die Träger umständlich von den Schultern, wollte indes seine Hand nicht loslassen.
Sein Blick heftete sich auf ihre gereckten Brustknospen, die sich unter dem hauchdünnen Stoff abzeichneten.
„Leugne nicht, dass du mich begehrst“, sagte sie. „Ich leugne es auch nicht. Lass mich zu dir! Du bist nicht der Einzige, der zu irrationalem Verhalten neigt, wenn wir dieses Spiel der Enthaltsamkeit weitertreiben.“
Sein praller Schaft zuckte, als wolle er ihrer Warnung nickend zustimmen. Aber Ned sah sie weiterhin unverwandt an, bevor er das Wort ergriff. „Ich dachte, du nimmst dir einen Liebhaber“, erklärte er schließlich leise mit belegter Stimme. „Davon bin ich eigentlich ausgegangen, als ich dich verließ.“
Nach allem, was in den letzten Jahren passiert, und nach allem, was zwischen ihnen in der letzten Woche vorgefallen war, hätte sie nie geglaubt, dass er sie noch kränken könnte. Aber seine Worte versetzten ihr einen schmerzhaften Stich. Seine sachliche Vermutung, sie würde sich einem anderen hingeben, und die Gleichgültigkeit, mit der er ihre Untreue akzeptiert hätte, statt um sie zu kämpfen, durchbohrte ihr Herz wie ein Dolch, und sie wäre am liebsten aufgesprungen und geflohen. Aber sie hatte ihn gebeten, sie an seinen verborgenen Gefühlen teilhaben zu lassen.
Er hatte sie verlassen. Und sie würde nicht an allem Gefallen finden, was er ihr zu sagen hatte. Wenn sie allerdings nie wieder riskierte, verletzt zu werden, würde sie auch niemals ihr Glück finden.
Kate zog seine Hand zu sich. „Es geht nicht um meine Ehre oder meine Tugendhaftigkeit. Es geht … nun ja, anfangs spielte ich mit dem Gedanken, dir untreu zu werden. Es bot sich ja auch reichlich Gelegenheit dazu. Und ich hätte mir gewünscht,dass du es bitter bereust, mich verlassen zu haben. Ich stellte mir vor, dass Lady Blakely dir von meinem Seitensprung schreibt und du wutentbrannt zu mir zurückkommst.“
„Aha“, sagte er gedehnt. „Und hast du dir auch vorgestellt, dass ich deinen Liebhaber zum Duell fordere?“
„An schlechten Tagen“, antwortete sie spitz, „hast du verloren.“ Dabei beschrieb sie mit dem Daumen einen Kreis auf seinem Handrücken.
Diese Rachegelüste hatten sich nur in ihrer Fantasie abgespielt, ohne ihr die quälenden Sehnsüchte zu nehmen.
„Auch ich habe an meine Reaktion gedacht, wenn ich bei meiner Rückkehr festgestellt hätte, dass du dir einen Liebhaber genommen hast.“
„Und hast du dir vorgenommen, dich mit meinem mutmaßlichen Liebhaber zu duellieren?“
„Nein.“ Er hob den Blick von ihren verschränkten Händen und sah in ihr Gesicht. „In meiner Fantasie bot sich mir die Chance, die ich kurz nach unserer Heirat vertan hatte. Diesmal wollte ich dich umwerben, dir den Hof machen, ich wollte dich verführen. Ich wollte dich davon überzeugen, dass du mich diesmal aus freien Stücken wählst – und nicht durch einen unglücklichen Zufall gezwungen bist, eine Ehe mit mir zu führen. Ich wollte deine Achtung gewinnen und deine Zuneigung.“
„Nun denn. Du verführst mich jetzt.“
Sanft strich er über die Innenseite ihres Handgelenks. Bei der harmlosen Berührung durchrieselte sie ein Wonneschauer. „Nein, zum Teufel. Du verführst mich , was ziemlich unfair ist, wie ich gestehen muss. Ich will dir beweisen, dass du dich auf mich verlassen kannst, dass ich nicht irgendein Dummkopf bin, getrieben von enthemmter Wollust. Ich will, nein, ich brauche die Gewissheit, dass du mich nicht für einen Kerl wie Harcroft hältst, dem nur daran gelegen ist, seine Selbstsucht zu befriedigen.“
Zum ersten Mal hörte Kate Worte der Kritik an seinemFreund und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Nichts wäre geeigneter, das Gespräch von ihrem gemeinsamen Dilemma abzulenken, indem sie eine Diskussion über Harcroft führten, aber
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