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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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seine Beklemmung zu überwinden.
    „Sei unbesorgt“, versicherte er beiläufig. „Ich tue mein Bestes. Verlass dich drauf, ich werde meine Frau vor allen schädlichen Einflüssen bewahren.“ Zum Beispiel vor deinem.
    „Gut, alter Freund.“ Harcroft lächelte. „Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Er schien darauf zu warten, dass Ned ihm eine ähnliche Zusicherung machte.
    Die er ihm geben sollte. Eine weitere Lüge würde die Kluft zwischen Harcroft und Kate erweitern. Aber er brachte die Worte nicht über die Lippen. „Ich kümmere mich um alles“, brachte er schließlich heraus.
    Harcrofts Lächeln wurde breiter. Und Ned hatte einen schalen Geschmack im Mund, obgleich er sich die Zähne vor zehn Minuten mit Zahnpulver geputzt hatte. Er hätte sich Harcrofts anmaßende Forderungen verbitten und ihm sagen müssen, er solle sich ein für alle Mal zum Teufel scheren. Aber damit hätte er dessen Argwohn nur Nahrung gegeben. Es hätte ihm zwar große Genugtuung verschafft, dem einstigen Freund die Faust ins Gesicht zu setzen, klug wäre es freilich nicht gewesen. Es war ratsam, einen kühlen Kopf zu bewahren.
    „Ich wusste, dass du die Dinge siehst, wie ich sie sehe“, erklärte Harcroft überheblich. „Den Beweis wird dir deine Frau liefern – sehr bald schon, denk an meine Worte. Vielleicht bin ich sogar derjenige, der dir den Beweis bringt.“
    Ned ertrug dieses selbstgerechte Gehabe nicht länger. „Hör zu“, begann er und beugte sich vor. „Ich setze die Suche für dich fort und lasse dich wissen, was ich herausfinde. Sobald du abgereist bist, reite ich los. Aber Harcroft, eins solltest du wissen.“
    Fragend zog Harcroft die Brauen hoch.
    „Du wirst nie wieder eine Drohung gegen meine Frau aussprechen.“ Dabei richtete Ned sich zu seiner vollen Größe auf. Harcroft blinzelte verständnislos und schien zum ersten Mal zu begreifen, wie viel größer Ned war. „Sie gehört mir und geht nur mich etwas an.“
    Sie gehört mir. Dieser Gedanke war keineswegs beruhigend, aber nach der letzten Nacht schien ein Körnchen Wahrheit daran zu sein. Sie hatte genau das getan, was sie sich vorgenommen hatte und die Barrieren seiner Kontrolle überwunden. Vielleicht gehörte sie ihm; damit aber lieferte er ihr einen Teil von sich aus. Und dieser Gedanke erschreckte ihn mehr als das blasierte Gehabe des Earls.
    Harcroft erwiderte seinen Blick, dann nickte er stumm und stieg ein. Der Diener schloss den Wagenschlag und kletterte auf seinen Sitz. Wenig später ließ der Kutscher die Peitsche knallen, und die Pferde zogen an.
    Ned horchte noch lange dem Knirschen der Räder auf der Kiesauffahrt nach, als die Karosse sich entfernte.
    Für eine Weile waren alle störenden Einflüsse gebannt, und Ned wollte die Gelegenheit sehr gut nutzen.
    Es war Zeit für eine Unterredung mit seiner Frau. Nach den Geschehnissen von letzter Nacht hatte er keine Ahnung, was sie über ihn dachte. Die Skala der Möglichkeiten reichte von sehr gut bis sehr schlecht . Er blickte sinnend in den trüben nebeligen Herbstmorgen.
    Aber was konnte schon schlimm sein, nachdem Harcroft abgereist war?
    Und zum ersten Mal seit dem Erwachen umspielte ein Lächeln seine Lippen.
    Kate erwachte vom leisen Quietschen der Türangeln. Schläfrig nahm sie das Knistern der Holzscheite im Kamin wahr. Jemand hatte bereits Feuer gemacht. Die schweren Vorhänge waren noch zugezogen, und durch die Ritzen drang nur ein fahler Schein.
    Es war also noch nicht Zeit, aufzustehen. Erwachen bedeutete, dass ihr Verstand einsetzte. Es bedeutete, ihrem Ehemann zu begegnen, wovor ihr nach den verwirrenden Geschehnissen der letzten Nacht graute. Zu schläfrig, um über Peinlichkeiten nachzudenken, schloss sie wieder die Augen.
    Schritte näherten sich ihrem Bett. Sie blinzelte durch ihre halb geschlossenen Lider.
    Es war Ned, wer sonst? Und natürlich war er bereits angezogen und rasiert. Sein wohlfrisiertes Haar kringelte sich an den Ohren. Kate wollte sich nicht vorstellen, wie ihr vom Schlaf zerzaustes Haar aussah. Sie wollte sich ihm nicht in verschlafenem Zustand präsentieren, sondern in einem hübschen Kleid. Vielleicht in dem aquamarinblauen Seidenkleid, das ihren Augen einen blauen Schimmer verlieh.
    „Oh, wie schön“, sagte er aufgeräumt, viel zu munter für einen Morgen, der noch nicht wirklich angebrochen war. „Du bist wach.“
    Nein, sie war nicht wach. Dies war ein schlechter Traum. „Mmmm“, brummte sie mürrisch und zog die Bettdecke

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