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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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bis zum Kinn.
    Er schnalzte mit der Zunge. „Willst du nicht aufstehen? Ich will dir etwas zeigen.“
    Verschlafen blinzelte sie zu ihm auf. „Ich soll jetzt schon aufstehen, bei der Kälte? Reicht es dir nicht, in einem eiskalten Zimmer zu schlafen? Es ist noch nicht mal richtig hell.“
    Einen Vorzug hatte ihre Schläfrigkeit zu dieser frühen Morgenstunde. Ihr Geist war noch zu träge, um sich dessen zu schämen, was sie letzte Nacht zusammen getan hatten.
    „Du könntest höchstens zu mir ins Bett schlüpfen“, ergänzte sie gedehnt.
    Neds Lächeln vertiefte sich, und er streckte ihr die Hand entgegen. „Ich fürchte, völlig den Verstand zu verlieren, wenn ich mehr tun würde, als nur deine Hand zu halten. Ich will dich genießen.“
    Die Betonung, die er auf das Wort genießen legte, ließ Kate an verschiedene Bedeutungen denken. Verweilen; sich an etwas erfreuen; auskosten …
    „Du bist“, begann sie und drohte ihm spielerisch mit dem Finger aus dem warmen Kokon ihrer Bettdecke, „ein durch und durch schlechter Mensch. Noch dazu, wenn du michzwingen willst, zu dieser unchristlichen Stunde aufzustehen.“
    Er zuckte mit den Achseln. „Meine angeborene Bescheidenheit zwingt mich dazu, mich dagegen zu verwehren. Bislang habe ich nichts wirklich Schlechtes getan. Mein Verhalten kann schlimmstenfalls als lästig bezeichnet werden.“
    Damit trat er ans Bett, beugte sich über sie und stützte die Hände seitlich neben ihrem Kopf auf die Bettdecke. „Dich jetzt zu küssen, wäre vielleicht despektierlich.“ Sein frischer Atem hauchte an ihre Lippen.
    „Ja, das wäre es“, flüsterte sie und spürte, wie ihr Körper sündig reagierte.
    „Dich überall zu streicheln, wäre allerdings ziemlich unbotmäßig. Dich zur Erlösung zu bringen, wäre wirklich sündhaft.“
    „Allerdings ähnlich wohltuend wie eine heiße Tasse Tee am frühen Morgen.“
    In seinen Augen funkelte ein Glitzern, als habe er etwas Diabolisches im Sinn. Seine dunkel raunende Stimme ließ sie erwartungsvoll erbeben. Vielleicht hatte er sich gestern Nacht nur zurückgehalten, um sie jetzt zu nehmen. Ihr war, als spüre sie seine bedächtig streichelnden Hände bereits an verbotenen Stellen. Wenn er sie nicht bald liebkoste, würde sie noch den Verstand verlieren.
    „Möchtest du wissen, was als wahrhaft unverzeihlich schlecht zu bezeichnen wäre?“
    „Ja.“ Ihre Zustimmung kam hastig. „Oh ja.“
    Ned grinste breit. „Das.“
    Er packte die Decke mit beiden Händen und zog sie ihr mit einem heftigen Ruck weg.
    Vor Schreck und Kälte stieß Kate einen spitzen Schrei aus und zog die Beine an. „Ned, du elender Schuft!“
    Er lachte. „Du wolltest doch den Beweis, dass ich ein schlechter Mensch bin. Mehr davon wirst du im Moment nicht bekommen. Ich habe nach deiner Zofe geklingelt und erwarte dich in zehn Minuten zum Frühstück.“
    „In zehn Minuten? Hast du den Verstand verloren?“
    Ein seltsamer Ausdruck flog über sein Gesicht, der an Argwohn erinnerte, doch dann schüttelte er den Kopf. „Zehn Minuten“, beharrte er. „Glaub mir, du wirst es nicht bereuen.“
    Sie schaffte ihre Morgentoilette in einer halben Stunde, mit Korsett und den üblichen vier Unterröcken, und wählte ein schlichtes roséfarbenes Vormittagskleid, nicht nach der neuesten Mode, aber praktisch und einigermaßen bequem. Ihre Zofe frisierte ihr Haar zu einem Nackenknoten, legte ihr ein Kaschmirtuch um die Schultern, und Kate eilte die Treppe nach unten.
    Ned kam ihr bereits in der Halle mit einem Steingutbecher Tee entgegen, aus dem sie hastig ein paar Schlucke trank, bevor er sie am Ellbogen nahm und durch das offene Portal ins Freie führte.
    Draußen hing der Nebel in den Bäumen der Auffahrt und legte einen weißen Schleier über die Landschaft, der alle Geräusche dämpfte. Tief atmete Kate die frische Morgenluft ein.
    „Was siehst du?“
    „Hm. Ich sehe einen nebelverhangenen Morgen.“
    „Kluges Mädchen.“ Er legte ihre Hand in seine Ellbogenbeuge. „Es gibt noch viel mehr zu sehen.“
    Gemächlich spazierte er mit ihr einen Seitenweg durch den Park entlang. „Schau mal, dort oben.“ Er wies mit dem Arm in einen Baum hinauf. Sie blinzelte in die bunt belaubten Zweige, in denen sich kein Lüftchen regte.
    „Ganz oben in einer Astgabel sitzt ein Nest. Die Jungvögel sind längst flügge. Vielleicht sind die Alten noch in der Gegend, obwohl es schon spät im Jahr ist.“
    Sie erspähte das winzige Gebilde aus Zweigen und Grashalmen hoch

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