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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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musste wissen, was ich wirklich wollte.“ Er lächelte breit. „Sie können nicht wissen, was Sie tun müssen, bevor Sie nicht erkannt haben, was Sie wollen. Was wollen Sie?“
    „Ich will mein Kind in Sicherheit wissen.“ Louisa schlang wieder die Arme um sich, und Kate biss auf ihre Unterlippe. „Ich will, dass mein Sohn eines Tages den Platz seines Vaters einnimmt. Ich will, dass er in Liebe und Zuneigung die wahren Werte des Lebens erkennt, dass er Brutalität und Gewalt verabscheut.“
    Ned schürzte die Lippen. „Ihre Flucht nach Amerika unter falschem Namen würde die Chancen Ihres Sohnes auf seinen rechtmäßigen Titel verwirken.“
    Louisa nickte. „Ich will in England bei meiner Familie bleiben.“ Sie warf Kate einen Blick zu. „Und bei meinen Freunden. Und ich will, dass mein Ehemann mich nie, niemals wieder bedroht.“
    „Sehen Sie?“, sagte Ned. „War das wirklich so schwer, Ihre Wünsche auszusprechen?“
    „Aber wie kann ich es wagen, meine Wünsche in die Tat umzusetzen, Mr Carhart? Das schaffe ich nicht. Es ist unmöglich.“
    Sinnend betrachtete Ned seine Fingernägel. „Eine Kleinigkeit am Rande“, bemerkte er leichthin. „Meine Frau bewältigt seit Jahren unmöglich erscheinende Dinge, und nun stehe ich ihr zur Seite. Wir finden einen Weg, um Ihre Wünsche zu erfüllen. Es wird einige Zeit dauern, aber wir schaffen es.“
    Kate wurde bei seinen Worten warm ums Herz. Sie musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und ihn stürmisch zu umarmen. „Zunächst“, sagte sie stattdessen, „bringen wir dich in Sicherheit. Deshalb müssen wir Harcroft ablenken und falsche Fährten legen.“
    Ned nickte. „Er muss glauben, wir seien kopflos geworden und machen Fehler. Zudem soll er annehmen, wir gehen ihm aus dem Weg, um Ihnen zu helfen.“ Er wandte sich an Kate. „Was hältst du davon, für eine Weile in London zu wohnen? Ich habe ohnehin geschäftliche Angelegenheiten in der Stadt zu erledigen.“
    „Und was soll ich in London tun?“, fragte Kate.
    Ned lächelte träge. „Wir“, erklärte er mit Nachdruck, „wir werden Harcroft in den Wahnsinn treiben.“
    Auf dem Heimweg spürte Ned, wie Kate ihn heimlich beobachtete. Seine Geschichte hatte zweifellos ihre Neugier geweckt. Bedauerlicherweise. Sie hatte sich nicht wie Louisa von ihren eigenen Sorgen ablenken lassen, denn ihr waren die Lücken in seinem Bericht gewiss aufgefallen.
    „Das war sehr couragiert von dir“, begann sie schließlich. „Diese abscheuliche Begebenheit zu erzählen und Louisa damit Mut zu machen.“
    „Hmm“, entgegnete Ned und mied ihren Blick. „Ich würde es eher unbesonnen nennen.“
    „Du hast uns die Geschichte schmunzelnd erzählt, als habe es sich um einen schlechten Scherz gehandelt. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass du einiges verschwiegen hast. Was ist damals wirklich geschehen?“
    „Im Grunde war es so, wie ich es geschildert habe.“ Nur noch wesentlich schlimmer.
    Kate stieß den Atem hörbar aus.
    „Na schön, wenn du es unbedingt wissen willst.“ Er rieb sich das Handgelenk. „Ich habe nicht alles gesagt. Sie warfen mich nicht nur in die Kloake, sie fesselten mich an Händen und Füßen und verbanden mir die Augen. Ich wusste nicht, was sie vorhatten und wohin sie mich brachten. Als sie mich in die Abfallgrube warfen, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartete. Ich versank im Sumpf menschlicher Exkremente und konnte mich nicht befreien, sondern nur hilflos um mich strampeln.“
    Noch Monate später war er nachts schreiend aufgewacht mit brennenden Schmerzen an seinen Handgelenken, wo man ihn gefesselt hatte und er sich in seiner Todesnot zu befreien suchte. Mittlerweile hatte sein Gedächtnis die schlimmsten Albträume gottlob ausgelöscht.
    „Wie konnten diese grausamen Kerle dir so etwas antun?“ Kate sah ihn voller Entsetzen an. „Wie bist du diesen Qualen entkommen?“
    „Sie hatten ein Seil an meinen Füßen festgebunden, an dem sie mich schließlich aus dem Dreck zogen. Sie wollten mich lediglich demütigen, nicht in der Scheiße ersäufen.“
    In Kates eindringlichem Blick las er so etwas wie Mitleid. Herrgott! Er wollte und brauchte ihr Mitleid nicht.
    „Schau mich nicht so an!“ Seine Worte klangen schärfer als beabsichtigt. „Das war vermutlich das Beste, was mir je passieren konnte. Ich verbrachte den ganzen Tag im Boot auf dem Meer. In der sengenden Sonne, die mir nicht nur die Haut verbrannte, sondern auch alle Schwächen und Feigheiten. Ich musste

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