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Im Visier des Verlangens

Im Visier des Verlangens

Titel: Im Visier des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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mich meinen Unzulänglichkeiten stellen, um sie loszuwerden.Diese Erfahrung hat mir Substanz gegeben.“
    Mehr, als er ihr je gestehen würde. Kate brauchte nicht zu wissen, was für ein jämmerlicher Schwächling er damals war – und kurz davor, daran zu zerbrechen. Sie musste nur wissen, dass er überlebt hatte.
    „Was meinst du mit Substanz?“, fragte sie.
    „Die Kraft, die ich brauchte, um zu dir zurückzukehren“, antwortete er prompt. „Die Kraft, die ich brauchte, um Seegefechte zu ertragen und Opiumhöhlen zu widerstehen.“
    „Die Kraft, die dich dazu zwingt, nachts bei Eiseskälte zu schlafen?“, fragte sie.
    Er nickte knapp, und Kate schwieg stirnrunzelnd.
    Ned wollte sie nicht daran teilhaben lassen, was damals in der Kloake wirklich in ihm vorgegangen war. Sie musste nicht wissen, wie schwarz diese letzte Finsternis tatsächlich war. Es reichte, dass sie wusste, was ihm zugestoßen war, ohne in sein tiefstes Inneres zu schauen.
    Er hatte seinen Drachen gezähmt. Er würde Kate nicht verlassen. Mehr brauchte sie nicht zu wissen.

18. KAPITEL
    M anches hatte sich in den Jahren seiner Abwesenheit nicht verändert, so wie die schummrige Spielhölle in einer zwielichtigen Gegend Londons. Schon am Eingang hörte Ned das Klicken der Würfel auf grünem Filzbelag. Rauchschwaden drangen durch die offene Tür und mischten sich mit dem dichten Nebel, der über der Stadt hing.
    Die Reise nach London hatte fast den ganzen Tag gedauert, aber sein Besuch im Spielklub duldete keinen Aufschub.
    Sein Ziel – fünf Kerle, die sich für Gentlemen hielten und an einem Ecktisch mit Spielkarten in der Hand saßen. Vermutlich ging es um hohe Einsätze. Die einzige Veränderung in den zurückliegenden Jahren nahm er an seinen einstigen Freunden wahr. Während Ned an Kraft und Muskeln zugelegt hatte, waren die Herren fettleibig geworden.
    Ein anderer Mann in seiner Situation hätte vermutlich alle zum Duell gefordert. Ned aber sah wenig Ehre darin, fünf feiste Trunkenbolde hinzurichten. Im Übrigen fand er seine Methode der Problemlösung wesentlich amüsanter. Schließlich zähmten wahre Helden ihre Drachen.
    Ned betrat den schummrig beleuchteten, verrauchten Raum. Während er an den Tischen vorbeischlenderte, auf denen Krüge mit billigem Wein standen, befingerte er das Stück Seide in seiner Hand, das er sich angeeignet hatte. Die Männerrunde am Kartentisch war zu sehr in ihr Spiel vertieft, um ihn zu bemerken, selbst dann nicht, als sein Schatten über den grünen Filz fiel.
    Dem Stapel Geldscheinen auf dem Tisch nach zu schließen, waren die Einsätze beträchtlich.
    Früher war Ned diesem Laster ebenso verfallen wie diese Männer, hatte seine Vergangenheit in Alkohol ertränkt und versucht, seine Zukunft mit Glücksspiel zu zerstören. Gottlob, diese Zeiten lagen hinter ihm.
    Lord Ellison – einer seiner einstigen Freunde – deckte sein letztes Blatt auf. „Gewonnen!“, triumphierte er. Die Runde murmelte widerstrebend Beifall. Einer der Männer schüttelte betrübt den Kopf. Dann bemerkte er Ned und blinzelte aus glasigen Augen zu ihm auf.
    „Carhart?“, fragte er ungläubig. „Bist du es wirklich? Ich hörte, dass du zurückgekehrt bist.“ Er blinzelte wieder, um sich zu vergewissern. Einige Zellen seines Gehirns schien der Alkohol noch nicht völlig aufgeweicht zu haben. Dann grinste er breit. „Komm, spiel eine Runde mit.“
    Er machte Anstalten, einen freien Stuhl heranzuziehen.
    „Na so was, Carhart!“, empfing Alfred Dennis ihn jovial grinsend. „Du hast dich ja eine Ewigkeit nicht blicken lassen. Setz dich zu uns.“
    Keiner schien auch nur eine Spur Gewissensbisse zu haben. Ein weiterer Grund, warum Ned keine Lust hatte, sich mit ihnen zu duellieren. Er käme sich dabei vor, als schlage er auf Quallenschleim ein.
    Ned setzte sich rittlings auf den Stuhl. „Eigentlich bin ich gekommen“, erklärte er, „um eine Wette einzulösen.“
    „Welche denn?“, fragte Ellison. „Dennis … nein Port-Morton, du bist noch einigermaßen sicher auf den Beinen. Hol das Wettbuch.“
    Der Angesprochene versuchte mühsam, auf die Beine zu kommen.
    „Nicht nötig“, wehrte Ned ab. „Jeder von euch weiß, worum es geht.“ Er legte das Stückchen Stoff auf den Tisch: ein roséfarbenes, mit Spitzen verziertes und mit Rosen besticktes Band.
    „Ist das etwa ein Strumpfband, Carhart?“, fragte Dennis verdutzt.
    Die Herren glotzten ihn bestürzt an, ihre Gesichter verfärbten sich in unterschiedlichen

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