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Im Wald der gehenkten Füchse

Im Wald der gehenkten Füchse

Titel: Im Wald der gehenkten Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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zwischen zwei Flechtenhöckern. Sofort waren Mücken aufgetaucht, um Blut aus dem leblosen Gesicht des Unglücksopfers zu saugen. Für sie spielte es keine Rolle, ob ein Mensch tot oder lebendig war, Hauptsache das Blut war frisch. Major Remes verscheuchte die Insekten von der Stirn seines Kameraden. Er seufzte schwer.
    »O mein Gott.«
    Er tastete nach Oiva Juntunens Puls, war jedoch selbst noch zu erregt, als dass er herausfinden konnte, ob das Herz des Verunglückten noch schlug oder nicht. So kniete er neben Oiva Juntunen nieder und schnupperte an dessen Nase. Er sah sich gezwungen festzustellen, dass der Mann nicht mehr atmete. Aus einem Nasenloch floss ein wenig hellrotes Blut auf die Oberlippe.
    Remes wischte das Blut mit seinem verschwitzten Taschentuch ab, brachte den Körper des Verunglückten in die stabile Seitenlage und begann dann mit Mund-zu-Mund-Beatmung. Er blies kräftig Sauerstoff in Oiva Juntunens Lunge, und zwar mit solchem Druck, dass er damit viele Luftballons hätte füllen können. Seine Behandlung war so energisch, dass das Herz, falls es tatsächlich ausgesetzt hatte, wieder gezwungen war, Blut zu pumpen, wenn es in der Brust seines Besitzers zu verbleiben gedachte.
    Die heftige Herzmassage und die stürmische Beatmung dauerten etwa fünf Minuten, dann stellte der Major erleichtert fest, dass sich der Tote belebte. Aus Oiva Juntunens Mund drang ein seltsamer Seufzer, und sein Herz kam stolpernd in Gang. Major Remes beobachtete ein Weilchen die zunehmenden Lebenszeichen, verbesserte noch einmal die Lage des Verletzten, seufzte schließlich glücklich und steckte sich eine Zigarette an.
    »Gott sei Dank. Der Satan ist zum Leben erwacht.«
    Der Major holte aus dem Schuppen einen alten Wasserschlitten. Die Kufen sprühten Funken auf dem felsigen Untergrund, als Remes damit zum Tatort hastete. Äußerst vorsichtig legte er seinen bewusstlosen Kameraden auf das Gefährt, zog es zur Hütte und geradewegs in die Stube. Sanft hob er Oiva Juntunen heraus, legte ihn auf sein Bett und deckte ihn zu.
    »Ein zäher Typ, das muss ich sagen.«
    Der Major schüttelte das Kopfkissen auf und legte dem Patienten ein feuchtes Handtuch auf die Stirn. Er zog ihm den verbliebenen Stiefel aus und knöpfte das Hemd auf. Für alle Fälle faltete er ihm schon mal die Hände auf der Brust.
    Oiva Juntunen blieb bis zum nächsten Tag bewusstlos. Diese Zeit war für Remes außerordentlich hart. Er redete pausenlos mit sich selbst, bereute seine Tat und betete für die Rettung seines Kameraden. Ein paarmal versuchte er sogar, so etwas Ähnliches wie Weinen zustandezubringen, doch es misslang. Die Tränenkanäle des Majors waren schon vor langer Zeit verkümmert.
    Am Morgen nach einer völlig schlaflosen Nacht kochte Remes eine kräftige Fleischbrühe und flößte sie dem Patienten so behutsam ein, wie er nur konnte. Er klappte ihm die Kiefer auseinander und löffelte die Brühe in seinen Mund. Der Adamsapfel machte ein paar Reflexbewegungen, die Fleischbrühe gelangte in den Magen, und der Patient konnte somit zumindest nicht austrocknen.
    Wenn sein Kamerad nicht stürbe, so schwor sich der Major, dann würde er ein neues, besseres Leben beginnen. Sollte der andere jedoch sterben, dann würde er sich selbst töten, nachdem er den Leichnam begraben hätte. Er wollte sich nicht wegen eines Zivilmordes vor dem Militärgericht demütigen müssen. Er fand, am klügsten sei es, gläubig zu werden und sich dann zu erschießen. Oder sich aufzuhängen, da er keine Waffe zur Verfügung hatte.
    Gegen Mittag drangen in Oiva Juntunens tastendes Bewusstsein Remes’ Selbstgespräche, in denen dieser abwechselnd sein neues, besseres Leben oder die Alternative des Erhängens beschwor. In Oivas Ohren klangen diese Reden außerordentlich reuevoll. Aus dem brüllenden Verfolger war ein sanfter Pfleger geworden, der pausenlos seine Seelenqualen herausbrabbelte. Oiva Juntunen konnte mit Befriedigung feststellen, dass der Kampf vorbei war, dass er mit dem Leben davongekommen war und in der Sache auf gewisse Weise sogar den Sieg davongetragen hatte.
    Für alle Fälle hielt er seine Augen geschlossen. Es hatte es durchaus nicht eilig, zum Leben zu erwachen. Vernünftiger war es abzuwarten, wie sich die Situation entwickelte, und erst später richtig zu sich zu kommen.
    Dem Gebrabbel des Majors konnte Oiva bald entnehmen, dass er seit dem vergangenen Tag bewusstlos in der Stube gelegen hatte. Aber wie schwer waren seine Verletzungen? Sein ganzer

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