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Im Wald der gehenkten Füchse

Im Wald der gehenkten Füchse

Titel: Im Wald der gehenkten Füchse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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großen Lärm. Zuerst beschuldigten sich alle gegenseitig, dann riefen sie in den Wald:
    »Naska! Naska! Sei brav und komm zum Auto!«
    Naska war nicht brav. Sie hockte still im Wald und hielt ihren Kater im Arm. Der Sozialdirektor drohte von fern.
    »Wenn du nicht gleich ins Auto kommst, dann ..., dann ... holen wir dich!«
    Doch alle trugen Halbschuhe, und keiner war gewillt, durch den verschneiten dunklen Wald zu stapfen. Der Sozialdirektor versuchte, den Redakteur zu überreden, an der Stelle zu warten, bis die anderen im Kirchdorf Alarm geschlagen hätten, doch Tulppio sah sich nicht verpflichtet, sich um eine alte Frau zu kümmern, die von den Behörden ausgesetzt worden war. Er hatte es jetzt verdammt eilig, seiner Zeitung eine wilde Story von dem Ereignis zu liefern. Er sah schon die Überschrift vor sich:
    »Älteste Skolt-Samin der Welt im Wald ausgesetzt!«
    So beschlossen alle abzufahren, nachdem sie sich auf der Straße heiser geschrien hatten. Als die Autos weg waren, stiefelte Naska mit ihrem Kater zur Straße. Sie beschloss, nach Hause, nach Sevettijärvi, zu gehen. Dorthin waren es einige Kilometer, aber in zwei Tagen könnte sie es gut schaffen. Zu Hause würde sie als Erstes den Ofen anheizen, sich anschließend Kaffee kochen und sich dann ins Bett legen. Sie würde die Türen abschließen und sich richtig ausschlafen.
    »Komm, Jermakki, wir gehen, damit uns nicht kalt wird.«
17
    Für Naska Mosnikoff brachen schwere Zeiten an. Es ist nicht angenehm, in der winterlichen Tundra ausgesetzt zu sein, wenn man eine allein stehende Frau und noch dazu neunzig Jahre alt ist. Wenn zudem der Wind bläst und einen die Nacht bedrängt.
    Dem Kater setzten diese harten Bedingungen noch mehr zu. Auch er war betagt, fast zwanzig Jahre alt. Das ist ein hohes Alter für eine Katze, viele sterben schon weit früher.
    Außer vom Alter war Jermakki auch von seinem trägen Leben gezeichnet. Die letzten Jahre hatte er schnurrend am Fußende von Naskas Bett zugebracht, und das fördert nicht gerade die Kondition.
    Naska streichelte den Kater und setzte ihn dann ab.
    »Gehen wir nach Hause. Wir müssen uns beeilen, damit wir hier weg sind, ehe sie nach uns suchen.«
    Naska Mosnikoff und ihr Kater Jermakki trippelten viele Stunden über die dunkle Landstraße Richtung Norden, heim nach Sevettijärvi. Aber im Dunkeln sah Naska die Abzweigung nicht. Sie ging am schlafenden Dorf Kaamanen vorbei, in Richtung Utsjoki. Vor ihr lagen zweihundert Kilometer arktische Landstraße, und am Ende das kalte Eismeer.
    Die Tatsache, dass Naska sich verlaufen hatte, brachte dennoch einen Vorteil. Die Suchtrupps kamen nicht auf die Idee, die Eismeerstraße abzufahren, sondern irrten durch die Wälder südlich von Kaamanen.
    Die ganze lange Nacht wanderten Naska und Jermakki über die einsame Landstraße. Dann eroberte die Dämmerung des Kaamos-Morgens die öde Landschaft, der Frost hatte sich verschärft. Aber die Wanderer strebten immer weiter gen Norden. Die Baumgrenze überquerten sie gegen Mittag. Ein paar Personenwagen überholten sie, Wind und eisiger Schnee schlugen ihnen ins Gesicht. Beide hatten Hunger, beide waren müde, aber sie durften nicht rasten. Eine Ruhepause am Straßenrand bedeutete langsames Erfrieren. Jermakki schnurrte nicht, und das war ein schlimmes Zeichen. Sonst, zu Hause, schnurrte er häufig.
    An diesem Tag legten Naska und Jermakki auf der Eismeerstraße gut drei Meilen zurück. Der Schritt der alten Skolt-Samin war kurz geworden. Im Durchschnitt kam sie bei jedem Schritt fünfundfünzig Zentimeter vorwärts. An diesem Tag tat die Alte mehr als eine halbe Million Schritte. Und erst der Kater! Jermakkis Schritt war höchstens zehn Zentimeter lang, deshalb musste das arme Tier drei Millionen Mal ausschreiten ... Und da Katzen doppelt so viele Füße haben wie Skolt-Samen, musste der müde Jermakki an diesem Tag sechs Millionen Mal auftreten. Kein Wunder, dass er nicht schnurren mochte. Und Sevettijärvi war noch immer nicht in Sicht.
    Gegen Abend kam ihnen von Norden her ein großer beleuchteter Bus entgegengebraust. Naska war bereits so erschöpft, dass sie ihm ein Zeichen zum Anhalten gab. Naska und Jermakki wurden von der eisigen Landstraße in den warmen Touristenbus geholt.
    Drinnen herrschte fröhlicher Lärm. Der Bus war voller deutscher Kriegsveteranen, dicke, bärtige Männer, die auf ihrem alljährlichen Gedenkausflug in Europas Norden unterwegs waren. Sie hatten seinerzeit in der deutschen Gebirgseinheit

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