Im Wald der gehenkten Füchse
rührend und niedlich seien, doch sollte Christine bedenken, dass sie nicht immer Babys blieben.
»Stell dir mal einen kleinen Jungen vor, der wächst zu einem großen Mann heran, und Männer kennst du ja, die sind alle durch die Bank Strolche.«
Das sei allerdings richtig, bestätigte Christine. Besser wäre es, wenn es auf der Welt keinen einzigen Mann gäbe. Doch andererseits – dann wäre auch diese Lapplandreise nicht zustande gekommen. Es sei spannend, im Flugzeug zu reisen, teure Hotelbars zu besuchen und sich von den Männern die Türen aufhalten zu lassen.
Die Frauen verbrachten zwei erholsame Tage in Rovaniemi. Sie speisten in den örtlichen Restaurants, liehen sich Skier aus und vergnügten sich beim Alpinski am Hang des Ounasvaara. Sie schliefen lange und ließen sich vom Zimmerservice das Frühstück ans Bett bringen. Männer empfingen sie nicht, obwohl es auf den Hotelfluren von interessierten Kavalieren des Nordens nur so wimmelte, besonders in den späten Abendstunden.
Am dritten Tag machten sie sich auf den Weg. Sie fuhren mit dem Taxi durch das vom Kaamos umgebene Lappland. In Kittilä erkundigten sie sich beim Tourismussekretär der Stadt, ob er ihnen einen erfahrenen Wildmarkführer empfehlen könnte, dessen Dienste sie für ein paar Tage benötigten. Sie seien zum Winterurlaub nach Finnland gekommen, man erwarte sie in einer kleinen Blockhütte in der Wildmark. Sie zeigten Sekretär Joutsi-Järvi eine kleine Skizze der Gegend, in der Major Remes den Standort der Holzfällerhütte am Kuopsu deutlich markiert hatte.
Diese Aufgabe war ganz nach dem Geschmack des Sekretärs. Endlich waren seine langjährigen Bemühungen zur Förderung des Tourismus in Kittilä von Erfolg gekrönt! Diese Frauen waren keine x-beliebigen Rucksacktouristen, sondern steinreiche Ausländerinnen, die von Kittiläs besonderer Lage auf dem Erdball angezogen worden waren und die natürlich haufenweise Geld in der Stadt lassen würden. Wie oft hatte er den Stadtoberen gepredigt, dass man gerade solche Touristen ansprechen müsse! Mit ihnen kamen wertvolle ausländische Devisen nicht nur in den Ort, sondern gleichzeitig in die Provinz und ins ganze Land. Das schaffte neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich, und dann konnte diese entlegene Region vertrauensvoll in die Zukunft blicken und aus eigener Kraft zu neuem Wohlstand gelangen.
Joutsi-Järvi beschloss, den beiden Schönheiten den bestmöglichen Führer zu geben, den er kannte, nämlich Piera Vittorm. Der Mann war bereits über sechzig, er würde gegenüber den Damen sicher nicht zudringlich werden, wie es bei den jüngeren Führern gelegentlich vorkam. Außerdem war Piera der beste Wildmarkkenner, den es je in dieser Gegend gegeben hatte. Nun ja, gewiss war er ein schlimmer Lump, ein schmutziger Rentierdieb, vom Standpunkt des Gesetzes aus gesehen insgesamt eher ein trauriger Fall, doch musste man jetzt nicht unnötig pingelig sein. Hauptsache, die Frauen bekamen einen kundigen Führer – einen Mann, der in der Wildmark geboren und aufgewachsen war und der sich ohne Kompass besser orientieren konnte als der zielsicherste Zugvogel.
Piera war schwer begeistert, als er von der Sache erfuhr und die Frauen zu Gesicht bekam. Natürlich hatte er Zeit für diesen Auftrag! Er wusch und rasierte sich, kämmte sich das Haar und schmiss sich in seine beste Wanderkluft. Unter die Achseln sprühte er sich eine große Menge Dunhill.
»Man will ja den Tourismus fördern!«
In Pulju lud er die Koffer auf seinen Motorschlitten und bat die beiden Frauen, in dem dahinter befestigten zweiten Schlitten Platz zu nehmen. Er war mit einem warmen Rentierpelz bekleidet. Den Frauen gab er dicke Felle als Schutz vor dem kalten Fahrtwind. Kichernd wickelten sich Agneta und Christine in die Felle. Sie fanden das alles ungeheuer amüsant und machten Witze auf Pieras Kosten: Er sehe aus wie ein richtiger Weihnachtsmann, und jetzt fahre man bestimmt zum Berg Korvatunturi. Hihi.
Piera wusste sehr gut, wo sich der Kuopsu befand. In den fünfziger Jahren hatte er dort Bäume gefällt. Dabei hatte er sich mit der Axt ins linke Bein geschlagen, sodass er immer noch hinkte. Manchmal, wenn er einiges intus hatte, wurde das verflixte Bein taub und brachte ihn zu Fall. Aber Rente kriegte er trotzdem nicht, obwohl manch anderer, der gesunde Beine hatte, Tagegeld und eine saftige Pension und sonstwas kassierte. Kein Wunder also, dass Piera manchmal, oder eigentlich ziemlich oft, Rentiere einer
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