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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grange
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Typen. Ich glaube, dass der Mörder, den Sie suchen, den gleichen Effekt anstrebte, indem er seine Opfer entstellte.«
    Jeanne betrachtete nun ihrerseits die Aufnahmen. Sie war noch nicht auf diese Idee gekommen, aber Fromental hatte recht. Die Verstümmelungen der Gesichter waren vielleicht nicht nur auf einen plötzlichen Gewaltausbruch zurückzuführen. Der Mörder hatte seinen Opfern alle persönlichen Züge genommen.
    Hatte er sie paradoxerweise so zu Göttinnen gemacht?
    »Es gibt auch die Rhombusregel«, fuhr Fromental fort.
    »Was meinen Sie damit?«
    Der Experte fuhr die Umrisse der Leichen mit seinem Zeigefinger nach.
    »Die Konturen der Mordopfer sind in grober Näherung rautenförmig. Ein eher kleiner Kopf. Ausladende Brüste und Hintern. Kurze Beine ... Diese Körper erinnern in frappierender Weise an die berühmten Figurinen archaischer Fruchtbarkeitsgöttinnen. Ich könnte Ihnen noch andere Fotos zeigen ...«
    Ihr kam eine seltsame Erinnerung. Die ironische Stimme von François Taine im Restaurant: Männer mögen pummelige Frauen.
    »Welche Kräfte besaßen diese Göttinnen?«
    »Natürlich Fruchtbarkeit. Als die Urmenschen sich des Todes in seiner ganzen Schrecklichkeit bewusst wurden, richteten sie alle ihre Hoffnungen auf die Geburt und auf die Frau.«
    Jeanne wusste genug darüber. In dieser Geschichte drehte sich alles um die Fruchtbarkeit, den Kannibalismus, das Fruchtwasser und die Wahl wohlgerundeter Opfer ...
    Die Tür der Kammer ging auf. Aïcha stand auf der Schwelle, die Hände in den Hüften.
    »Noch immer mit dem Herzchen beschäftigt?«
    Fromental schien den Sarkasmus zu überhören, so glücklich war er, seine Prinzessin wiederzusehen. Sie breitete die Arme aus. Jeanne nutzte die Gelegenheit, um aus der Kammer zu schlüpfen und kräftig durchzuatmen.

 
    36
    »Hab ich dich geweckt?«
    »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Ich wollte mich von dir verabschieden.«
    »Du verreist?«
    »Ich fliege nach Managua in Nicaragua.«
    Reischenbach schnaubte am anderen Ende der Leitung.
    »Glaubst du, den Mörder dort zu finden?«
    »Den Mörder und sein Motiv.«
    »Bloß weil Taine und dein Psychiater denselben Kerl angerufen haben?«
    »Nicht nur deshalb. Nelly Barjac hat fünf Tage vor ihrem Tod einen Brief oder ein Paket von Manzarena erhalten.«
    »Was war da drin?«
    »Ich weiß es nicht genau. Blutproben, glaube ich.«
    »Ist das alles?«
    »Nein. Erinnere dich, dass auch mein Psychiater, Antoine Féraud, nach Managua geflogen ist. Zuerst habe ich geglaubt, er wolle vor dem Mörder, dem Sohn seines Patienten, fliehen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Er verfolgt ihn. Aus irgendeinem Grund wusste er, dass er sich nach Managua begeben musste. Er hat beschlossen, dorthin zu fliegen, um ihn davon abzuhalten, ein weiteres Mal zuzuschlagen. Es gibt sogar Anhaltspunkte dafür, dass er einen Vorsprung vor ihm hat.«
    »Wer ist deiner Meinung nach das nächste Opfer? Manzarena?«
    »Gut möglich.«
    »Weshalb?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe den Eindruck, dass es in dieser ganzen Sache irgendwie um Blut geht. Verseuchtes Blut. Oder irgendwas Ungewöhnliches, woran ich noch gar nicht gedacht habe.«
    »Das klingt nach einem Roman.«
    »Wir werden ja sehen.«
    »Weshalb rufst du mich wirklich an?«
    »Wegen der Nummern. Gib mir die Handynummer von Manzarena. Und die Telefonnummer des Instituts in Tucumán, Argentinien.«
    »Fängst du schon wieder damit an? Ich habe sie nicht mehr. Du kannst sie selbst herausfinden.«
    »Ein Handy in Managua mit einer geschützten Nummer?«
    »Du kennst den Namen der Blutbank. Und was das Institut für Agrarwissenschaft anlangt, wird es in der Stadt wohl keine Unzahl davon geben. Lass dir was einfallen.«
    Jeanne hatte mit dieser Antwort gerechnet.
    »Ich möchte, dass wir in Kontakt bleiben«, sagte sie zum Schluss.
    Reischenbach schnaufte ein weiteres Mal und meinte dann in freundlicherem Ton:
    »Ich habe meine Akte an Batiz abgegeben. Sie werden mit den Ermittlungen von vorn anfangen. Das heißt, sie werden die Telefonate von Taine zurückverfolgen. Wie wir es gemacht haben. Und dann werden sie denselben Spuren nachgehen wie wir.«
    »Sie werden sich an die offiziellen Dienstwege halten und erst einmal den Verbindungsoffizier für Mittelamerika und den für Argentinien kontaktieren. Der Mörder wird genug Zeit haben, eine ganze Armee umzubringen, bevor sie auch nur die kleinste Information auf ihre Anfragen bekommen.«
    »Da kann man nichts machen.«
    »Man

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