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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grange
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Geistlichen zurückhalten, wenn sie nicht ihren internationalen Rückhalt verspielen wollten. So wurde der Priester auf freien Fuß gesetzt. Völlig verzweifelt hatte er beschlossen, sich umzubringen, um seine Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen. In der Zwischenzeit war es ihm gelungen, Juan Alfonso Palin persönlich zu über geben.
    Damit stand fest, dass der alte Spanier in der Praxis von Antoine Féraud der Admiral gewesen war. In meinem Land war das eine gängige Praxis. Alle machten das. Er meinte damit die Tatsache, dass Militärs die Kinder ihrer Opfer adoptierten.
    Vor seinem Selbstmord wollte der Jesuit seine Bekenntnisse zum Abschluss bringen. Im Lauf der Monate, mit Hilfe von sich immer mehr verdichtenden Indizien hatte der Mann den Schlüssel zu Juans Schicksal gefunden.
    Ein Schlüssel, der unfasslich schien.
    24. Oktober 1982, San Augusto
    Es ist Zeit für mich, die Geschichte Juans abzuschließen. Sein Geheimnis schwarz auf weiß niederzuschreiben. Ich habe meine Aufzeichnungen aus Argentinien noch einmal durchgelesen und muss mir eingestehen, dass ich ziemlich naiv gewesen bin. Die Fragen, die sich um seine Geschichte angehäuft haben, lassen, zusammen betrachtet, nur eine Antwort zu.
    Woher kommen Juans Gewalttätigkeit, seine Grausamkeit und Raserei? Dieser Hunger auf menschliches Fleisch? Diese Riten, die er so präzise befolgt, als hätte er sie bereits gesehen ? Diese merkwürdigen primitiven Schriftzeichen?
    Es handelt sich weder um Autismus noch um ein geheimnisvolles Virus. ES HANDELT SICH UM LERNPROZESSE. Um eine Erziehung, die ihm im Dschungel zuteil wurde. Etwas, das ihm weder seine Adoptiveltern noch die Brüllaffen beigebracht haben.
    Juan ist in dem Wald keinem Virus begegnet.
    Er ist einem Volk begegnet.
    Diese Hypothese lässt sich nicht weiter konkretisieren. Welches Volk hätte ihm schon solche Bräuche beibringen können? Ein indigenes Volk? Ich habe nie gehört, dass es außer den Toba, den Pilagá und den Wichi noch andere Ethnien in der Region Campo Alegre geben soll. Und diese Stämme leben seit langem so wie alle argentinischen Bauern.
    Wer also? WAS? Wieso habe ich nie von solchen Ureinwohnern gehört? Warum ist niemand aus Campo Alegre jemals einer dieser Kreaturen begegnet, sofern sie existieren? Eines steht für mich fest: Seit seiner Ankunft in der Missionsstation hat Juan diese Barbaren immer wieder gezeichnet. Diese schwarzen Striche, die menschliche Figuren und zugleich Zeichen einer unbekannten Sprache sind.
    »Der Wald, er beißt dich ...«: Das ist die Botschaft.
    Der Wald beherbergt ein primitives Volk von Wesen, die halb Mensch, halb Tier sind.
    In gewisser Weise bedauere ich es, nicht mehr in Campo Alegre zu sein, um Nachforschungen anzustellen. Auf den Spuren von Juan in den Selva de las Almas einzudringen. Aber es ist zu spät für mich, für Juan.
    Ich muss den Jungen seinem Schicksal überlassen. Ich bete dafür, dass der Admiral ihn beschützt und dass seine Seele, trotz allem, auf den rechten Weg zurückfindet ... Was mich anlangt ...
    In den Psalmen heißt es: »Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen.«
    Jeanne unterbrach die Lektüre ein weiteres Mal – sie konnte nicht mehr. Die Entdeckung von Pierre Roberge löste auf einen Schlag die meisten offenen Fragen ihrer eigenen Nachforschungen.
    Eine Horde von Primitiven ...
    Ein Stamm aus grauer Vorzeit ...
    Genau dies war das gemeinsame Motiv aller Morde von Juan / Joachim ...
    DAS BLUT ...
    DER SCHÄDEL ...
    Ein Volk, das körperliche Merkmale aufweist, die nicht-menschlich sind.
    Zwölf Uhr mittags.
    Draußen hatte der Regen wieder eingesetzt und die Landschaft in ein farbloses Schlammloch verwandelt. Jetzt ging es darum, diese Vermutungen zu überprüfen und zu bestätigen. Jeanne schaltete ihr Handy wieder ein und wählte die Nummer von Bernard Pavois.
    Viermaliges Läuten, dann die sanfte Stimme des Buddhas.
    »Sind Sie noch in der Firma?«, fragte Jeanne.
    »Ja.«
    »Bei unserem letzten Telefonat habe ich mich geirrt. Die Blutprobe, die Nelly geschickt wurde, enthielt weder Viren noch Mikroben noch Parasiten.«
    »Das wäre auch unmöglich.«
    »Der Mann aus Managua hat Nelly die Probe geschickt, damit sie daraus ein Karyogramm erstellt. Ist das mit einem Tropfen Blut möglich?«
    »Ja. Was sollte dieses Karyogramm nachweisen?«
    »Eine Anomalie.«
    »Welcher

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