Im Westen geht die Sonne unter
hektischer Aktivismus, blödsinnige Kontrollen, alles ging von vorne los, als hätte er nicht schon genug Probleme an diesem Tag.
Diesmal blieb er stumm während des Brainstormings. Allmählich begannen die Drogen doch zu wirken. Die Kopfschmerzen ließen nach, die Sinneseindrücke auch. Er durchlebte die Sitzung in einer Art Dämmerzustand, zeitweise mit geschlossenen Augen hinter der dunklen Brille. Wie erwartet trennte man sich ohne den geringsten Ansatz einer Lösung. Als einzige konkrete Maßnahme beschloss man, einmal mehr jede einzelne Komponente eingehend zu testen und allenfalls zu ersetzen. Zementierte Ratlosigkeit. Beim Gedanken daran, was die Techniker vor Ort bei den Banken erleben und die Zombies vom Telefonsupport hören mussten, wurde ihm übel.
Kurz vor Mittag rief sie der Chef erneut ins Sitzungszimmer. Ein hagerer, grauhaariger Mann in schäbigem Straßenanzug saß neben dem Chef. Mit seiner scharfkantigen Nase hätte man Pizza schneiden können. Dave sah ihm den Polizisten von weitem an. Er war in Begleitung einer kühlen Blondine, die so traurig dreinschaute, dass Dave sie am liebsten umarmt hätte.
»Das sind Commissaire Mathieu und Dr. Van den Broeck vom Commissariat Générale«, begann der Chef. »Sie werden euch einige Fragen stellen. Jedem einzeln und ich muss euch bitten, untereinander nicht darüber zu sprechen, bis die Befragung vorbei ist. Anordnung von oben.« Er blickte sauer in die Runde. Offenbar hatte er die Befragung schon hinter sich.
»Setzen Sie bitte die Sonnenbrille ab«, sagte Commissaire Mathieu als Erstes, als er den beiden gegenüber saß.
»Kopfschmerzen«, antwortete er gequält, während er die Blondine durch die dunklen Gläser neugierig musterte.
»Setzen Sie sie bitte ab«, wiederholte der Commissaire ungerührt.
Dave mochte nicht länger gegen Windmühlen kämpfen. Er hatte seinen Punkt gemacht.
»Ihr Name ist Dave Hermans, richtig?«
»Ja.«
»Sie sind Belgier, wohnhaft in Brüssel?«
»Ja.«
»Sie arbeiten als Übermittlungstechniker hier bei SWIFT?«
»Ja.«
»Seit drei Jahren?«
Er musste kurz nachrechnen, dann nickte er. »Ja.«
Der Commissaire stellte weitere Fragen, die er zusammen mit den Antworten der Personalabteilung aus seinen Unterlagen abzulesen schien. Dave fragte sich, was der Blödsinn sollte. Die Blondine starrte ihn unverwandt an und schwieg weiter. Dr. Van den Broecks Rolle glaubte er erst zu verstehen, als der Commissaire zur Sache kam. Sie war Psychologin und ein wandelnder Lügendetektor dazu.
»Sie haben am 17. des letzten Monats die neuen Boards für die Produktion freigegeben?«, fragte der Commissaire unvermittelt.
»Ich und die andern Stellen, die unterschrieben haben«, nickte er.
»Die andern Stellen, wie Sie sagen, haben die auch Diagnostiktests durchgeführt?«
Er zögerte. Nicht weil er die Antwort nicht wusste. Er wunderte sich nur, warum der Beamte diese Frage stellte. »Die andern Stellen prüfen unsere Unterlagen«, antwortete er vorsichtig.
»Diese Stellen führen also keine eigenen Tests durch?«
»Nein, aber ...«
Der Commissaire unterbrach ihn. »Sie mit Ihrer Gruppe sind also die Einzigen, die diese Boards getestet haben, bevor sie in die Produktion gingen?«
»Ja, aber die Protokolle ...«
Wieder winkte der Commissaire ungeduldig ab. »Erklären Sie mir, warum sie fehlerhafte Hardware freigegeben haben.«
Ihm platzte endgültig der Kragen. »Was zum Teufel soll dieser Scheiß?«, fauchte er.
»Beruhigen Sie sich. Beantworten Sie einfach meine Frage.«
Der Commissaire blieb ruhig, ebenso wie das traurige Gesicht der Blondine. Das reizte ihn noch mehr. »Das war keine Frage, verdammt noch mal. Das war eine infame Unterstellung. Wir ...«
Gleichmütig, als fragte er nach dem Wetter, doppelte der Commissaire nach: »Hat man Sie dafür bezahlt?«
Er sprang auf. »Das muss ich mir nicht länger anhören«, zischte er und ging zur Tür.
Die scharfe Stimme des Commissaire stoppte ihn: »Wir können die Befragung gerne im Commissariat fortsetzen Monsieur Hermans.«
Commissariat, das roch nach Verhör. Womöglich brauchte er einen Anwalt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich wieder zu setzen. Die Taktik des Beamten durchschaute er jetzt wenigstens. Er wollte ihn überraschen und zu unüberlegten Aussagen verleiten. Das war ihm zu einem guten Teil in kurzer Zeit gelungen. Der Mann war stur, bohrte weiter, als hätte er in ihm den Sünder erwischt. Daves Nerven lagen blank. Er musste seine
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