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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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wieder fühlen, wenn ihr Flug nach Washington in Hongkong abhob.
    Wie um alles in der Welt konnte ihre Tarnung auffliegen?, fragte sie sich zum zweiten Mal. Die NSA hatte bisher keine Mühe gescheut, die Pseudo-Journalistin Alex Oxley auch in den chinesischen Ablegern des ›Wall Street Journal‹ am Leben zu erhalten. Das Lügennetz war löchrig geworden und damit lebensgefährlich. Eine Stinkwut verdrängte die Angst. Sie reagierte nicht auf die Frage der Flugbegleiterin, warf ihr nur einen vernichtenden Blick zu, dass sie darauf verzichtete, die Frage zu wiederholen.
    Ein grandioses Schlamassel hatte sie angerichtet, aber es war, verdammt noch mal, nicht ihre Schuld. Immerhin kannte sie nun den Drahtzieher, auch wenn sie ihm die wirklich wichtigen Fragen nicht hatte stellen können. Die Frage zum Beispiel, wann China endlich in den Währungskrieg eingreifen würde, um den beginnenden Abwertungs-Wettlauf in den Schwellenländern zu beenden. Eine Antwort hätte sie sicher nicht erhalten, aber sein Mienenspiel und der Klang seiner Stimme hätten sie schon außerordentlich interessiert.
     
    Hsinchu, Taiwan
     
    Seit der alte Produktionsleiter ihm die Augen geöffnet hatte, fand Danny fast jeden Tag neue Hinweise in der Fabrik, dass tatsächlich einiges nicht stimmte mit den neuen Chips für Mr. Li. Fassungslos hatte er bei der letzten Routinekontrolle bemerkt, dass die Ersatzteile im Lager fehlten. Schlimmer: Ersatzplatinen lagerten zwar im Reinraum, aber sie waren mit den alten, falschen Chips bestückt. Oder mit den richtigen, je nachdem, welche Spezifikation man zugrunde legte. Jedenfalls entsprachen sie nicht den ausgelieferten Boards. Er mochte es nicht wahrhaben, aber mit der Zeit konnte auch er die Augen nicht mehr vor der simplen Tatsache verschließen, dass die Geschäftsleitung im Begriff war, sämtliche Spuren seiner Arbeit der letzten Jahre systematisch zu vernichten.
    »Was geht hier vor?«, fragte er leise mit einem ratlosen Blick zu Eric.
    »Was bedeutet das für uns?, wolltest du wohl eher fragen.«
    Der Alte hatte für den wichtigen Anlass am Abend seinen besten Anzug aus der Versenkung geholt. Vielleicht machte er deshalb einen so verlorenen Eindruck. Geradezu geschlagen und orientierungslos stand er da. Geknickt, als bräche er nächstens unter der Last seiner Jahre zusammen. Danny wollte ihn nicht noch zusätzlich mit Fragen belasten. Er blickte auf die Uhr und sagte nur: »Wir sollten gehen.«
    Die kurze Fahrt in der gestreckten Limousine, die sonst nur dem obersten Führungskader vorbehalten war, verbrachten sie schweigend. Ihnen gegenüber saß der Vizepräsident mit seinem Symbionten, dem Finanzchef. Der eine konnte nicht ohne den andern. Man sah die beiden selten mehr als ein paar Schritte getrennt voneinander. Als sie im dichten abendlichen Berufsverkehr nur noch im Schritttempo fahren konnten, wandte sich der Vizepräsident drohend an seinen Fahrer:
    »Mr. Li erwartet uns um sechs im Country Club.«
    Für den armen Fahrer musste sich das anhören wie »Gott duldet keine Verspätung«. Sichtlich nervös suchte er nach einer Möglichkeit, die Kolonne zu verlassen. Erst im Außenbezirk im Südosten der Stadt lichtete sich der Verkehr. Die Straße zum ebenso exklusiven wie abgelegenen Klub führte durch ein Waldstück, wo der gute Mann am Steuer endlich aufs Gaspedal drücken konnte. Er tat es wie kaum jemand zuvor auf dieser stillen Straße. Knapp vor sechs setzte er seine Fahrgäste vor dem Eingang ab. Danny betrat das Klubhaus zum ersten Mal, in dem der Vizepräsident einen nicht geringen Teil seiner freien Zeit verbrachte, wie Eric ihm erzählt hatte. Einfache Leute wie er hatten in dieser luxuriösen Klause nichts zu suchen. Das Gebäude in traditioneller Architektur mit seinen drei ausladenden Flügeln, den karminrot und golden bemalten Außenwänden und den kraftvollen Landschaftsbildern und aufwendigen Schnitzereien im Innern schien allein zum Zweck errichtet, den Besucher zu adeln. Ein Tempel des Geldadels, nichts anderes war dieser gut versteckte Country Club. Das war nicht der Grund, weshalb sich Danny abgestoßen fühlte, sobald er den Fuß hineinsetzte. Er konnte sich seine Reaktion, die innere Unruhe, die ihn ergriff, selbst nicht erklären. Vielleicht ärgerte er sich über die geschmackvolle Perfektion, mit der man hier den Überfluss zelebrierte. Vielleicht stimmte auch einfach das Feng-Shui nicht, oder er fürchtete sich vor dem falschen Lächeln des Gastgebers Li.
    »Dr.

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