Im Westen geht die Sonne unter
gemacht, als erneutes Plätschern seine Aufmerksamkeit auf den Teich lenkte. Die Fische schnappen nach Insekten, dachte er, wandte sich ab – und erstarrte. Langsam wanderte sein Blick zurück zum Wasser, wo er den schwarzen Fleck entdeckt hatte, ohne zu begreifen, was er sah. Er hielt den Atem an, trat näher, vorsichtig, in Zeitlupe, in der irren Hoffnung, die grauenhafte Erscheinung möge einfach wieder verschwinden. Der schwarze Fleck aber nahm unerbittlich die Gestalt eines menschlichen Körpers an. Erics Körper. Im dunklen Anzug, Arme und Beine ausgebreitet und mit dem Gesicht nach unten trieb er im Teich. Sein silbernes Haar wallte wie ein feines Büschel seltsamer Algen in den seichten Wellen, die sich um die unruhigen Fische ausbreiteten.
»Neiiin!« Der langgezogene Schreckensruf aus seiner Kehle erstickte in einer Welle ohnmächtiger Wut und verzweifelter Selbstanklage. Warum hatte er nicht früher nach Eric gesucht? Er sank auf die Knie, stützte sich mit einem Arm im seichten Uferbereich ab, streckte sich über das Wasser und griff nach dem Körper. Er erwischte einen Zipfel der Hose. Vorsichtig zupfte er daran. Seine Gedanken drehten sich wirr im Kreis und die Kraft wollte ihn verlassen, als er den alten Mann, oder was von ihm übrig blieb, auf den Rasen schleifte. Er ertrug es nicht, in die gebrochenen, hervorquellenden Augen zu blicken, schaute übers Wasser auf die schwarzen Silhouetten der Büsche und Bäume, während er wie in einem bösen Traum die Finger auf die nasse, noch warme Haut presste, dort, wo er die Halsschlagader vermutete. Erics Herz hatte aufgehört zu schlagen. Trotzdem begann Danny verzweifelt, seine Brust zu massieren. Er ließ nicht vom toten Körper ab, bis ihn eine Hand auf der Schulter berührte.
»Dr. Chen«, sagte der Finanzchef mit bebender Stimme. »Er ist tot. Es hat keinen Zweck.«
Es waren die ersten Sätze, die Danny an diesem Abend aus seinem Mund hörte. Mit Tränen in den Augen schaute er dem Mann ins Gesicht und sah die nackte Angst in seinem Blick. Der Manager, dem er bis vor kurzem keine menschliche Regung zugetraut hatte, stand mit geweiteten Augen neben der Leiche, überrascht und erschüttert vom Unbegreiflichen wie er selbst.
»Er hat sich das Leben genommen«, murmelte er verständnislos, als er begriff, wie sinnlos es war, weiter auf Erics Brust zu hämmern.
Der Finanzchef schüttelte gedankenverloren den Kopf. Ebenso leise, dass nur sie zwei es vernahmen, sagte er: »Seine Neugier hat ihn getötet.«
Einige Stunden später konnte Danny sich nur noch schemenhaft an die diskrete Abreise Lis, den Notarzt, die Befragung durch die Polizei erinnern. Eingeprägt hatte sich ihm nur die stoisch unbewegte Miene des Vizepräsidenten, der stumm an seinem Platz stand wie eine der hölzernen Skulpturen. Und der zweite Schock an diesem Abend hallte nach in seinem Kopf, als müsste der Schädel nächstens bersten. Der Schock, als er verstand, was ihm der Finanzchef zugeflüstert hatte. Plötzlich passte alles zusammen: das Fehlen anderer Gäste im Klub, das nahezu unsichtbare Personal, die Stimmen im Garten, dann die Totenstille und Tony der Bulldozer, wie er ins Haus stürmte. Sie hatten es von Anfang an geplant. Es brauchte nicht viel Kraft, das Gesicht des alten Mannes lange genug unter Wasser zu drücken, bis ihm die Luft ausging. Er war Zeuge eines eiskalt geplanten Mordes geworden. An nichts anderes mehr konnte er denken.
Um ein Uhr morgens stand er vor dem Häuserblock, in dem Eric seit zwanzig Jahren gewohnt hatte, und er erinnerte sich nicht, wie er hierhergekommen war. Das Entsetzen über Erics gewaltsamen Tod und wohl auch sein schlechtes Gewissen trieben ihn an den Ort, wo er manchmal mit dem Alten zusammen gegessen und Schach gespielt hatte. Leise wie ein Dieb schlich er die Treppe hoch in den vierten Stock. Was willst du hier?, schalt er sich selbst. Er besaß keinen Schlüssel und sowieso kein Recht, in die Wohnung des Toten einzudringen. Verwirrt näherte er sich der Tür. Sie war aufgebrochen. Die Verbrecher suchten Erics Kopien! Mit einem Mal erfüllte ihn eine derartige Wut über diese Leute, dass er jede Hemmung verlor. Laut brüllend stürzte er in die Wohnung, bereit, jedem, der ihm begegnete, mit bloßen Fäusten den Schädel einzuschlagen. Er schrie sich den ganzen angestauten Katzenjammer und Überdruss aus dem Leib, während er wie ein Berserker durch die wenigen Zimmer raste. Bald fehlte ihm die Luft, er ließ sich auf den Boden
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