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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schoko-Tafel
knabberte.
    „Voigt ist noch nicht zurück.
Ich habe Irene Bescheid gesagt. Auf! Wir müssen los! Wir wollen ins Kino. Gaby
und Karl warten.“
    Klößchen nickte. „Weißt du, was
ich gerade feststelle?“
    „Nein. Beeil dich trotzdem.“
    „Seit wir die neue Tapete
haben, hat sich bei mir was geändert. Weißt du, was?“
    „Nein. Erheb dich endlich!“
    Tim schlüpfte in seinen
gefütterten Windbreaker. Die Tasche mit dem schwarzen Jiu-Jitsu-Anzug und
sonstigem Zubehör war schon gepackt.
    „Mein Schoko-Geschmack hat sich
geändert.“
    „Mir qualmt die Socke! Du
stehst jetzt auf saure Gurken?“
    „Neeeeeeeeiiiiiiiin!!! Nur bei
der geschmacklichen Auffächerung meiner Schoko-Leidenschaft hat sich eine
Verschiebung ergeben.“
    „Nämlich?“
    „Schokolade mit Nüssen ist seit
der neuen Tapete nicht mehr mein Ding. Ich mag nur noch Vollmilch, Zartbitter,
Krokant mit Mandeln und Rosinen, mit Trüffelfüllung, mit Marzipanfüllung,
Nougatkombination, weiße Schoko und ganz bittere in Verbindung mit
Cognac-Kirschen.“
    „Himmel, du hast ja kaum noch
Auswahl!“
    „Dein Spott trifft mich gar
nicht.“

    „Ich will dich nur trösten.
Übrigens hattest du schon mal so eine bedrohliche Krise. Was war es doch
gleich? Ah, ja, vor zwei Jahren hast du’s gehasst, wenn man Schokolade mit
Erdbeer-Matsch füllt.“
    „Das ist mir immer noch ein Greuel.
Mein Papa hat dieses Zeug aus unserer Produktion gestrichen.“
    „Recht hat er. Stehst du jetzt
auf?“
    Nach fünf Minuten war auch
Klößchen startklar. Sie liefen hinunter, verließen das Haupthaus, begegneten
zwei älteren Mitschülern, die ins Fernsehzimmer wollten, und holten ihre Bikes
aus dem Fahrradschuppen.
    Abmeldung war nicht
erforderlich, denn das war schon getan. Tim war nur noch mal hergekommen, um
sein Sportzeug zu holen. Denn seinen Plan, heute Abend in der ,Arena’ gegen
einen Halby anzutreten, hatte er sich noch nicht ausreden lassen. Allerdings —
Gaby arbeitete heftig daran. Und eigentlich erfüllt Tim seiner Freundin jeden
Wunsch. Doch zur Zeit waren sie noch in der Diskussionsphase. Gaby würde ihr
stärkstes Geschütz — den Augenaufschlag als stumme Bitte — erst später
auffahren.
    Sie radelten über die Chaussee
zur Stadt. Es war stockdunkel. Nur wenige Lichtpeitschen brannten. Nebel
drückte auf die Felder, wo der Winter sein Leichentuch ausgebreitet hatte.
Schneewolken verhüllten den Himmel und die Lichtglocke über der Millionenstadt
hatte einen schmutzigen Farbton — wie ockerfarbener, viel benutzter Samt.
    Karl hatte Gaby abgeholt und
beide warteten an der Ecke Lustwiesen-Straße/Parade-Weg.
    Gaby hatte sich mit ihrem
weißen Zwei-Meter-Wollschal eingemummelt und trug Bommelmütze. Tim wurde mit
einem Winterabend-Bussi begrüßt, also einem kühlen. Weil das keine Rückschlüsse
zulässt auf die Herzenswärme, wäre er damit zufrieden gewesen. Blöd fand er
jedoch, dass er zwei Drittel seiner mündlichen Liebkosung auf Gabys Schal
anbrachte, denn der umhüllte sie fast bis zur Nasenspitze.
    Sie wollten ins
Casino-Lichtspielhaus, dort lief ein drehfrischer Thriller — angeblich mit
Scharfdenker-Niveau, hintergründiger action, trauriger Liebesgeschichte,
Umwelt-Anliegen, rührender Tierfreundschaft und nicht mehr als zwölf Morden und
der angedrohten Vernichtung einer amerikanischen Großstadt. So verhieß es die
Werbung. Und die Kritiker stießen ins gleiche Horn.
    Aber Kritiker sind auch nur
Menschen, dachte Tim, meistens verhinderte Macher — verhindert aus Mangel an
Talent. Und seltsamerweise stimmt ihr Genre-Geschmack nie mit dem des Publikums
überein. Aber das ist ein Kritiker sich schuldig. Er muss es besser wissen.
Dafür wird er entlohnt. Sonst könnte ja jeder gesunde Menschenverstand seine
Meinung veröffentlichen.
    Tim und seine Freunde
schüttelten den Schneematsch aus den Fahrradreifen und bikten dann zur
U-Bahn-Station Lustwiese, wo auch das Kino ist.
    Die Drahtesel wurden zum
Quartett aneinander gekettet, während Karl schon die Eintrittskarten besorgte —
gleicher Preis auf allen Plätzen. In fünf Minuten fing’s an. Vornehmlich
Jugendliche strömten hinein. Tim ging voran und besorgte vier gute Plätze,
Klößchen wickelte seine Schokolade aus — natürlich ohne Nüsse Gaby wickelte
sich aus ihrem Schal und Tim nahm seine Baseballcap ab, damit auch sein
Hintermann vom Film was sah. Die Tasche mit dem Sportzeug stand zwischen Tims
Füßen.
    „Viel Spaß!“, wünschte Karl.
    Das Licht

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