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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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lachte
sie.
    „Jetzt ist Schluss mit dem
Rumrüsseln!“, rief Tim in gespielter Empörung. „Irene soll endlich zum Thema
kommen. Egon Voigt braucht also einen Anwalt oder -wältin. So weit waren wir.
Nun?“
    Irene atmete schwer. „Er hat
mir einen verschlossenen Umschlag gegeben. Den sollte ich zu Frau Ainspruch
bringen. Was ich auch gemacht habe.“
    „Heute, am Samstag?“
    „Ich habe ihn nicht in die
Kanzlei gebracht, sondern zu ihrer Privatwohnung.“
    „Und?“, fragte Tim.
    „Der Anwältin habe ich erklärt,
es handele sich um meine persönlichen Papiere, die ich nicht hier, sondern an
einem sicheren Ort aufbewahren möchte. Geglaubt hat sie das nicht. Das war ihr
anzusehen. Trotzdem — mir zuliebe hat sie das Kuvert genommen. Es wird
verwahrt.“
    „Und was ist wirklich drin?“
    „Ich weiß es nicht.“ Sie zuckte
die Achseln. „Aber es muss etwas sein, das irgendwelchen Leuten gefährlich
werden kann. Egon sagte, der Inhalt sei seine Lebensversicherung. Es würde
gewisse Leute schwer belasten. Es könne sie ins Gefängnis bringen. Und dann sagte
er noch: Falls ihm etwas zustoße, soll ich den Umschlag zur Polizei bringen.“
    „Pest und Seuche!“, sagte Tim
durch die Zähne.
    „Wie bitte?“
    „Ich will nichts behaupten und Herr
Egon ist für mich — bis zum Beweis des Gegenteils — ein ehrenwerter und
großartiger Typ mit blondem Haar und melancholischem Blick. Aber dieses
Rumhändeln mit dem Umschlag riecht verdammt nach Erpressung. Dein Typ, Irene,
besitzt belastendes Material. Statt es der Polizei auszuhändigen — zum Beispiel
Gabys Vater — bringt er’s klammheimlich auf die Seite. Er rechnet also damit,
dass sich die Betroffenen wehren. Es könnte ihm an den Kragen gehen. Deshalb
die Rückversicherung. Das lernt doch sogar Oma Meier aus den TV-Krimis. Und die
Kindergarten-Frischlinge wissen es längst. Schlimm ist, Irene, dass er dich da
mit reinzieht. Denn wenn ihn die Erpressten in die Mangel nehmen, wenn sie ihn
würgen, ihm Finger brechen und Zehen amputieren — dann wird er die Wahrheit
rauswinseln: über das Kuvert. Dass es bei einer Rechtskundigen ist, aber nur
durch dich — durch dich, Irene! — abgeholt werden kann. Und dann geht’s bei dir
los mit dem Würgen, Finger brechen und Zehen amputieren.“
    Entsetzt hatte Irene ihm
zugehört. „Nein!“
    „Was nein?“
    „Das glaube ich nicht!“

    „Was glaubst du nicht? Falls er
bei irgendeiner Mafia abzocken will, ist meine Folterbeschreibung noch viel zu
sanft.“
    „Ich glaube nicht, dass er
jemanden erpresst!“
    „Sondern?“
    „Vielleicht will er nur, dass
man ihn in Ruhe lässt.“
    Tim nickte. „Diese Möglichkeit
gibt es allerdings auch. Und das hieße: Dein Egon Voigt hängt oder hing in
einer Sache mit drin, von der Gabys Vater nichts hören darf, weil er sonst
gleich die Handschellen rausholt.“
    Stille.
    Irene zwinkerte. Die
Feuchtigkeit in ihren Augen hatte sich vermehrt. Tim empfand Mitleid. Aber bei
einem linken Ding — das ist klar — muss auch eine eventuelle Love-Story
hintanstehen.
    „Ich... mag ihn wirklich“,
flüsterte Irene. „Er ist ganz bestimmt ein guter Mensch.“
    „Darüber sollten wir jetzt
nicht befinden“, sagte Tim.
    Irene war den Tränen nahe. „Es
tut mir leid“, schluchzte sie, „dass ich euch eingeweiht habe. Aber ich... ich
hatte plötzlich Bedenken, als ich von Frau Ainspruch zurückkam. Zur Polizei
gehen? Nein! Das kommt nicht in Frage. Damit hätte ich Egons Vertrauen
missbraucht. Aber wenn ich mit euch rede, dachte ich, kriege ich vielleicht
einen Rat.“
    „Na und ob!“, sagte Tim. „Das
ist ja schließlich unsere Philosophie: Eingreifen und helfen! Niemals beiseite
stehen! Irene, wir machen das schon.“
    „Und wie?“
    „Der direkte Weg ist immer der
beste. Wir reden mit Egon Voigt.“
    „Ach, ich weiß nicht. Dann...
dann ist er enttäuscht von mir.“
    „Anders geht’s aber nicht. Wir
sagen ihm, wir hätten dich vorgefunden: weinend, am Rande eines
Nervenzusammenbruchs, voller Sorge und Zweifel. Zu viert haben wir uns dann auf
deine Seele gekniet und rausgekriegt, was Sache ist. Und jetzt soll er mal den
Deckel vom Nachttopf nehmen.“
    „Wie bitte?“
    „Er soll eine Erklärung
abgeben, eine wahrheitsgemäße.“
    Irene atmete auf. „Wenn ihr das
für mich tun würdet — super!“
    „Wo finden wir ihn, wo wohnt
er?“
    Sie sagte es ihnen.

14. Neue Tapeten im ,Adlernest’
     
    Egon Voigt wohnte unweit vom
Güterbahnhof West, hinter einer

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