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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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erlosch und
allmählich flauten auch die Gespräche ab, obwohl erst mal die Werbung lief —
nichts als die Werbung.

15. Stiefeldolch mit L. E.
     
    So ein Mist!, dachte Tim. 20
Minuten hielt er still und ließ sich von dem 100-Millionen-Dollar-Schwachfug überrieseln.
Bombastische Neu-Technik versuchte den totalen Mangel an Witz und Ideen zu
überkleistern. Was nicht gelingen konnte — jedenfalls nicht bei Mitdenkern.
    Leise sagte der TKKG-Häuptling
zu Gaby: „Wollen wir uns diesen kotzmäßigen Schrott wirklich reinziehen?“
    „Ich wollte gerade dasselbe
fragen.“
    Karl hatte schon 20 mal
gegähnt. Klößchen war mit seiner Schokolade fertig und im Begriff,
einzuschlafen. Also verließen TKKG die Casino-Lichtspiele, aber vornehmerweise
nicht unter Protestgemurmel, sondern sie stahlen sich hinaus, um anderen —
nicht mitdenkenden Schlichtgehirnen — den Leinwandgenuss nicht zu verderben.
    Draußen erlebten sie eine
Überraschung.
    Ein Scherzbold hatte an allen
vier Bikes die Reifen zerstochen. Schlapp hing das Gummi auf der Felge und
Klößchens Sattel fehlte, war abmontiert worden, lag aber zu oberst im nahen
Papierkorb.
    Allen verschlug es die Sprache.
    Tim blickte umher. Der
Casino-Vorplatz war leer, kein Täter, kein Zeuge, keine Menschenseele.
    „Flicken“, sagte Tim, „können
wir das nur zu Hause. Lassen wir die Tretmühlen hier oder schieben wir sie?“
    „Hier lassen!“, schlug Klößchen
vor. „Nachher — nach dem Gelage im Finkmeier — oder morgen können unsere
Ernährer sie abholen. Mein Papa zum Beispiel. Im Kofferraum unserer
Jaguar-Limousine hatten wir mal sechs Bikes. Allerdings ging dann der Deckel
nicht zu.“
    „Wenn ich den oder die
erwische“, meinte Tim, „sollte auch gleich der Notarzt kommen.“
    „Und das in der
Vorweihnachtszeit!“, sagte Gaby. „Im friedlichsten Monat!“
    Tim schulterte seine
Sporttasche und bemächtigte sich der linken Hand seiner Freundin. „Gehen wir!“

    Sie hätten die U-Bahn nehmen
können, aber die fuhr nicht in Richtung ,Finkmeier’ und außerdem war der Weg dorthin
kein Marathon. Nach dem Kino-Erlebnis, so war’s ausgemacht, wollten TKKG zum
Nobelrestaurant ,Finkmeier’, denn dort speisten heute Abend die Glockners, die
Viersteins und die Sauerlichs. Wegen der Lichtspiel-Pleite würden die Kids also
etwas eher dazustoßen.
    Leider führte der Weg durch das
angrenzende Vorstadtviertel Müllkippenheide. Und das genoss einen ganz
schlechten Ruf. Besonders nach Anbruch der Dunkelheit. Selbst
Streifenwagen-Polizisten fuhren dann mit eingezogenem Kopf, denn nicht selten
flog aus dem Dunkeln ein Stein heran oder eine Stahlkugel, abgeschossen mit
einer Schleuder.
    Tim wusste das alles. Und es
war ihm recht. Nach der Gemeinheit mit den Bikes war er in der richtigen
Stimmung für Zoff. Und an Gaby würde kein Randale-Typ rankommen — nur über Tims
Leiche.
    TKKG schlurften also los, über
einen Platz, vorbei am lichtlosen Supermarkt, vorbei an einer
Krankenkassen-Zweigstelle, vorbei an einer Baustelle, deren Betreten verboten
war, vorbei an einem Wohnblock, der dringend neuen Verputz brauchte. Sonst,
dachte Tim, sieht man bald die Rückseiten der Tapeten. Und diese
Innenraum-Verschönerungs-Großposter sind bestimmt nicht so toll wie unsere im
,Adlernest’. Rotgelb und mit Comicfiguren. Da bleibt kein Auge trocken.
    Ein Feuerstuhl-Pilot raste
stadtauswärts. Er fuhr höchstens doppelt so schnell wie erlaubt. Das war hier
der übliche Schnitt. Erschreckt flitzte eine graue Katze auf die Baustelle. Tim
stellte gerade fest, dass die Straßen total verödet waren — unterm Strich
gesehen. Aber da kam auch schon ein Betrunkener um die Ecke. Er war sicherlich
grau unter seinem Trachtenhut, vollführte Torkelschritte und schluchzte
lauthals.
    „Mami! Mama! Mamachen!“
    Sie ließen ihn vorbei. Er hatte
eine rote Schnapsnase, die von der Kälte noch röter wurde.
    Er glotzte Gaby an, sah aber,
dass es nicht seine Mama war, und torkelte weiter.
    „Allein wäre mir hier ziemlich
unwohl“, meinte Pfote im Weitergehen.
    „Allein wäre es hier
selbstmörderisch für dich.“ Tim hielt ihre Hand fest. „Aber du bist nicht
allein.“
    Sie bogen ein in die
Frenzel-Straße, wo am anderen Ende eine Telefonzelle steht: links aus der Sicht
von TKKG und etwa 200 Meter entfernt.
    „Was ist das?“
    Tim blieb stehen und spähte
nach vorn.
    Es krachte. Glas barst. Blech
dröhnte und schien dann zu wimmern unter den Hieben. Scheppernd gab die Tür

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