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Im Wettbüro des Teufels

Im Wettbüro des Teufels

Titel: Im Wettbüro des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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stillgelegten Zementfabrik. Das Gelände war
verwaist und verfiel. Durch leere Hallen pfeift der Wind, dachte Tim, als sie
vorbei radelten. Alles rostet, vergammelt und lässt sich nicht recyceln.
    Durch Einfahrten und Tore
konnte man die Rohmühle sehen, die Zementmahlanlage, Klinkerlager und
Hammerbrecher und noch andere Bauten und Maschinenreste, von denen Tim nicht
wusste, was ihre Funktion war.
    Treuben-Weg 11 war ein Wohnhaus
für acht Mietparteien. Dem Lärm hinter der Tür war zu entnehmen, dass alle zu
Hause waren — ausgenommen Voigt. Bei ihm — dritter Stock links — klingelten die
Kids vergebens.
    Die Nachbarin — eine ältliche
Frau mit Lockenwicklern — sagte, er sei nicht da. Tim hatte das vermutet. Denn
sein Daumen hielt immer noch den Klingelknopf in Aktion.
    „Der Voigt ist früh
weggegangen“, wusste die Frau. „Manchmal kommt er sehr spät heim. Manchmal gar
nicht. Ich meine, erst am nächsten Tag. Es ist ja nicht so, dass ich hinter der
Tür stehe und aufpasse. Aber als alleinstehende Dame kriegt man dieses und
jenes mit.“
    Davon bin ich überzeugt, dachte
der TKKG-Häuptling. „Vielleicht arbeitet er nachts?“, fragte er.
    „Nein, nein! Das kann es nicht
sein. Nach Arbeit sieht das nicht aus. Dafür ist sein Leben zu unregelmäßig.
Das könnte ich zigfach belegen. Nein, er hat vermutlich eine Freundin und darf
manchmal bei ihr bleiben.“
    „Daran erkennt man eine heiße
Liebe.“
    „Wie?“
    „Vielen Dank für Ihre Auskunft.
Wir kommen später noch mal wieder.“
    Bevor die Frau die Tür
schließen konnte, fiel Tim noch was ein.
    „Hat Herr Voigt Telefon?“
    „Nein, hat er nicht.“
    „Das wissen Sie genau?“
    „Zum Telefonieren kommt er
immer zu mir rüber. Natürlich nur für Ortsgespräche. Die bezahlt er mir dann
auch gleich — die Gebühren. Mit wem er telefoniert, weiß ich leider nicht. Ich
stelle mich ja schließlich nicht daneben, sondern gehe immer in die Küche und
mache die Tür zu. Und er spricht so leise, dass man wirklich gar nichts
versteht.“
    Sie hieß Clothilde Onks und
hatte die Rufnummer 4 14 19 22. Ja, man könne gern anrufen und sie werde dann
nachsehen, ob Egon Voigt zu Hause sei.
    Vier Anrufe machte Tim im Laufe
des Nachmittags. Aber immer vergebens. Clothilde Onks konnte nur feststellen,
dass Voigt auch jetzt unterwegs war. Beziehungsweise bei seiner Freundin, wie
sie sehr stark vermutete.
    Tim bedankte sich jedesmal und
verschob schließlich das sicherlich brisante Gespräch auf morgen, auf Sonntag.
Denn heute — es war inzwischen 18.24 Uhr — würde dafür kaum noch Gelegenheit
sein. Denn TKKG hatten noch anderes vor.
    Er rief Irene an und sagte es
ihr. Sie war gerührt wegen der Mühe, wie sie sagte, die TKKG auf sich nahm —
und kein bisschen ungeduldig. Sicherlich hatte sie Angst vor dem, vermutete
Tim, was ans Licht kommen würde. Aber Augen zu, nichts wissen wollen und die
Arme um Egons Hals — so geht’s auch nicht, dachte Tim, wenn der frische
Blütentraum von Dauer sein soll.
    Er verließ die Besenkammer —
die Telefonzelle für Kids in der Internatsschule — und sprang die Treppe hinauf
ins Obergeschoss zur Bude ,Adlernest’, die er nun schon so lange mit seinem
Freund Klößchen teilt. Eine saugemütliche Bude für zwei so unterschiedliche
Typen. Zwar knarrten die Dielen und die Türangel musste alle vier Wochen geölt
werden. Genügend Platz war auch nicht vorhanden, denn außer den beiden Betten,
den beiden Schränken und dem doppelten Arbeits-/Lese-/Bastei- und Spieltisch
passte nichts mehr hinein.
    Der Maler war noch nicht drin
gewesen, seit Tim hier wohnte. Also hatten die Jungs — nach Absprache mit der
Internatsleitung — Mitte Oktober ein Wochenende geopfert und das ,Adlernest’
neu tapeziert.
    Klößchen hatte dabei ziemlich
viel biologischen Leim geschluckt und musste anschließend zum Frisör, weil er
ihn aus den Haaren nicht rausbekam. Aber die gelbrote Tapete mit den
Comicfiguren war hinreißend lustig — und hielt vor allem die Lehrer fern,
besonders den EvD, den Erzieher vom Dienst.
    „Nur die Halbblinden“, hatte
Tim seiner Freundin Gaby erzählt, „kommen gelegentlich rein — und denken dann
immer, es brennt. Auch Klößchens anfängliche Alpträume lassen jetzt nach. Man
gewöhnt sich eben an alles. Jedenfalls haben wir die Tapete sehr preiswert
gekriegt und sie enthält keine giftigen Substanzen.“
    Jetzt trat er ins ,Adlernest’,
wo Klößchen auf dem Bett lag, die Wand anstarrte und an einer

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