Im Wettstreit der Gefühle (German Edition)
ganz und gar nicht geeignet schien. Außerdem war er offensichtlich an keiner Konversation interessiert. Schließlich deutete sie Scott, ihr zu folgen und ging zurück zu Liams Zelt.
Nach kurzem Überlegen holte sie Nähzeug und ihre Beinlinge zum Ausbessern. Sie besaß sonst keine Sachen, mit denen sie zurück ins Waisenhaus reiten konnte. Außerdem konnte es nicht schaden, wenn sie sich neuerlich als Junge verkleidete. Der Weg nach Hause würde auch in ihrer Kostümierung gefährlich genug werden. Ihr stand eine Reise bevor, die ihr schon jetzt Kopfschmerzen bereitete.
Mit ihrer Näharbeit setzte sie sich neben den Zeiteingang auf einen Stuhl. Scott nahm an ihrer Seite Platz.
„Ich könnte Hilfe brauchen“, verkündete sie, als ihr das Schweigen zu dumm wurde. „Eine Frau alleine unterwegs. Kein Mann, der sie beschützt. Vielleicht sollte ich Liam bitten, dass er mir jemanden als Begleitung zur Verfügung stellt.“
„Wenn Ihr ihn darum bittet, wird er das gerne tun.“
Erin nickte. „Vermutlich entscheidet er sich für Euch als meinen Beschützer.“
„Vermutlich. Ihr könnt sicher sein, dass ich Euch immer zur Verfügung stehen werde. Wer Euer Freund ist, ist auch mein Freund. Wer Euer Feind ist, ist auch mein Feind.“
„Das klingt beinahe pathetisch. … Seid Ihr sicher, dass diese Aufgabe nach Eurem Geschmack ist?“
Scott runzelte die Stirn. „Ihr macht Euch eindeutig zu viele Gedanken über dieses Thema. Es macht keinen Unterschied, wie ich über die Sache denke. Meine Loyalität gilt Liam. Und seine … nun, sie scheint Euch zu gelten.“
Zumindest im Augenblick. Diesen Zusatz meinte Erin aus seinen Worten herauszuhören. „Ich bin ihm zu großem Dank für meine Rettung verpflichtet. Liam ist es mir gegenüber jedoch nicht. Seid versichert, dass unsere Wege sich bald trennen werden.“
Der Mann, bei dem es sich um ihren Vater handeln könnte, wirkte von diesen Worten überrascht. „Ich hätte erwartet, dass eine Frau, die offensichtlich Liams Interesse geweckt hat, andere Ziele anstreben würde.“
„Durch ihn Macht zu erlangen, meint Ihr wohl.“ Sie lachte. „Leider habe ich keine Erinnerung an meine Vergangenheit. Die Frau, die ich jetzt bin, beabsichtigt nicht, jemanden zu manipulieren, um zu bekommen, was sie will. … Außerdem kann ich die Intensität seines Interesses nicht abschätzen. Augenblicklich hege ich gewisse Zweifel, ob es überhaupt über die Gefühle für eine pflegebedürftige Kranke hinausgeht.“
„Seit ich Liam kenne, hat er bei einer Frau noch niemals so viel Geduld gezeigt“, versicherte Scott und schien sein Misstrauen ihr gegenüber abgelegt zu haben. „Ich glaube, für ihn stellt die Situation unbekanntes Terrain dar.“
Dann übertrat er eine Grenze. „Gewährt ihm keine Freiheiten. Obwohl ich Liam liebe wie einen Sohn, bin ich mir seiner Schwächen bewusst. Sein Verhalten kann nicht immer als ehrenhaft bezeichnet werden.“
Erin nahm ihm seine Ehrlichkeit nicht übel. „Danke. Ich werde Euren Rat beherzigen. … Ihr kennt Liam also schon lange?“
Scott nickte. „Ich habe ihn seit seiner Geburt begleitet. Als Liam ungefähr zwölf war, starben seine Eltern. Er musste seinen Bruder und seine zwei Schwestern alleine versorgen. Damals habe ich versucht, ihm ein guter Freund und Vaterersatz zu sein, genauso wie Finlay, unser Stammesweiser. Auftauchende Probleme bekam er allerdings alleine in den Griff. Als sein Bruder vor ein paar Jahren gestorben ist, hat er Garrick aufgenommen. Hin und wieder kam er zu mir, um seine Sorgen und Schwierigkeiten mit dem Jungen zu besprechen. Dadurch haben wir eine besondere Verbindung.“
Erin hatte den Ausführungen aufmerksam zugehört. Es erklärte, weshalb Liam ausgerechnet Scott zur Wahrung ihrer Sicherheit abgestellt hatte. „Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie frustrierend ich es finde, dass ich nichts mehr von meiner Jugend weiß. Oder von den letzten Jahren meines Lebens. Darum … Erzählt mir, wie Liam als kleiner Junge war. Hat er viel angestellt?“
Scott nickte und musste anscheinend bei der Erinnerung an all den Schabernack, den Liam getrieben hatte, lachen. „Aye, er war ein stürmischer Junge.“
Er berichtete ihr Geschichten, von denen einige so unglaublich waren, dass Erin den Verdacht hatte, er erfand sie nur, um sie von dem Verlust ihrer eigenen Erinnerungen abzulenken. Oder sollte Liam tatsächlich fähig gewesen sein, einem Dutzend Frauen auf Sigleß Butter unter die Schuhe zu
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