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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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als sei sie allein auf der Welt. Allein mit Balthazar Grattiano.
    Müde rieb Bianca sich den schmerzenden Nacken und drehte sich zu dem kleinen Spiegel um, der an der Wand hing. Fast hätte sie laut aufgelacht, als sie ihr Bild darin sah. Wie sollte Balthazar sie erkennen, wenn sie sich selbst wie eine Fremde vorkam? Ihr lockiges braunes Haar hatte sich aus den Haarnadeln gelöst und hing wirr und wild um ihren Kopf. Ihre Wangen waren von der Aufregung knallrot, und sie hatte dunkle Schatten unter den Augen. Ihr graues Wollkleid, das schon zu seinen besten Zeiten nie elegant gewesen war, war mit Balthazars Blut befleckt.
    Sie schnürte ihr einfaches Mieder auf und warf es zusammen mit ihrem Rock über den Stuhl. Nur in Unterkleid und Korsett stand sie nun vor dem Spiegel. Als sie ihr Haar durchbürstete und versuchte, die Knoten zu entwirren, wusste sie, dass Balthazar sie nicht lange für eine frühere Errungenschaft halten würde. Er hatte immer eine Schwäche für Blondinen mit üppiger Brust und vollen, roten Lippen gehabt. Sie dagegen – nun, sie war eine magere, dunkelhaarige Wirtin. Und falls sie als junges Mädchen in Venedig annähernd attraktiv gewesen sein mochte, so konnte man davon nach Jahren harter Arbeit auf einer tropischen Insel wohl nicht mehr viel erkennen.
    Doch das spielte auch keine Rolle. Bald würde sie Balthazar zur Rechenschaft ziehen können. Und dann wäre es völlig unwichtig, was er von ihrer Oberweite hielt oder sie von seinen männlichen Attributen. Doch jetzt war sie zu erschöpft, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
    Bianca zog auch noch ihr Korsett aus und schlüpfte ins Bett, wobei sie sich so weit wie möglich von Balthazar entfernt an den Rand der Matratze legte. Sie wickelte sich fest in eine Decke, doch noch beim Einschlafen konnte sie die Hitze seines Körpers spüren, die so verführerisch ihre Sinne umspielte …

3. KAPITEL
    Es war ein Traum, den Balthazar nur allzu gut kannte und den er jedes Mal wieder vergaß, bevor er ihn von Neuem heimsuchte. Wie ein schlangenköpfiges Seemonster, das aus der Tiefe aufsteigt, holte seine Vergangenheit ihn immer wieder ein.
    Balthazar befand sich in einem heftigen Sturm, und silberne Blitze zuckten durch die dicken schwarzen Wolken des aufgewühlten Himmels über ihm. Kalte, hohe Wellen mit weißen Schaumkronen krachten über den Bug des Schiffs; der Wind heulte durch die kahlen Masten und trieb die Karavelle vor sich her, als sei sie ein Kinderspielzeug. Regen prasselte so heftig auf die Planken des Decks, dass man meinte, sie könnten zersplittern. Das unermüdlich angreifende Meer, der harte Regen, seine in Todesangst schreienden Männer, die fürchteten, von der See verschluckt zu werden – all dies sah Balthazar wieder deutlich vor Augen. Es war, als sei der Tag des Jüngsten Gerichts angebrochen.
    Doch immer noch versuchte er verzweifelt, das Ruder herumzureißen und das Schiff und sie alle vor dem sicheren Tod zu retten, obwohl er im tiefsten Innern wusste, dass seine Versuche aussichtslos waren. Alles, wofür er gearbeitet hatte, alle seine Männer, die ihm vertraut hatten und ihm gefolgt waren, war dem Tod geweiht.
    Es schien ein angemessenes Ende. Hatte er nicht sein ganzes Leben damit verbracht, gegen eine dunkle, unausweichliche Bedrohung zu kämpfen? Gegen sein eigenes verdorbenes Blut, gegen seine Sünden – aber umsonst.
    Seine Muskeln schmerzten, als er versuchte, das Ruder herumzureißen. Er würde es nicht zulassen, dass das Meer gewann, dieses unbarmherzige Element, dieser schwarze Sog, der ihn zu verschlingen drohte. Die Erlösung war nah, wenn er nur hart genug kämpfte. Doch als er endlich spürte, dass das Ruder unter seinen nassen Händen nachgab, durchschnitt ein schreckliches Geräusch die schwefelhaltige Luft: das Krachen und Splittern von Holz.
    Balthazar strich sich das nasse Haar aus den Augen und starrte hinauf zum beschädigten Großmast seines Schiffs. Er neigte sich und schwankte bedrohlich im Sturm. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er auf das Deck stürzte und ein Loch in das ramponierte Schiff schlug, das sie dann alle in die Tiefe reißen würde.
    Und hoch oben auf dem Mast kauerte sein Vater. Ermano Grattiano, der schon vor sieben Jahren durch Balthazars Hand den Tod gefunden hatte, klammerte sich wie eine Kreatur aus der Hölle am gesplitterten Holz fest, wobei sein schwarzer Umhang und seine weiße Mähne wild im Wind flatterten. Selbst aus dieser Entfernung konnte Balthazar

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