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Im wilden Meer der Leidenschaft

Im wilden Meer der Leidenschaft

Titel: Im wilden Meer der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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er sie schweigend an, so eindringlich, als könne er ihre Gedanken lesen. Er schien derjenige zu sein, der übersinnliche Fähigkeiten hatte, und nicht etwa der messerschwingende Fremde.
    Sie tränkte einen frischen Verband in Rum und presste ihn gegen Balthazars Schulter. Er rang zwar nach Atem, doch er ließ die Behandlung über sich ergehen.
    „Das werde ich nähen müssen“, murmelte sie. „Aber habt keine Angst. Ich mache das nicht zum ersten Mal. Und Ihr werdet eurer Sammlung eine weitere kleine Narbe hinzufügen können.“
    Sie wandte sich ab, um nach ihren Nähutensilien zu greifen, und erschrak, als er sie plötzlich am Handgelenk packte. Sie versuchte, sich zu lösen, doch er hielt sie fest wie in einem Schraubstock. Er zog sie näher zu sich heran, bis sie seinen nackten Körper fast berührte und sich weder bewegen noch wegschauen konnte. Ihr Herz schlug so heftig, dass es ihr laut wie eine Trommel vorkam.
    „Ich kenne Euch“, sagte er mit weicher und leiser Stimme, die in völligem Gegensatz zu seiner harten Berührung stand. „Aber woher?“
    Bianca schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht.“
    „Oh doch. Ich habe Euch irgendwo schon einmal gesehen – und Ihr kanntet meinen Namen.“
    „Natürlich kenne ich Euren Namen. DieAnkunft der Calypso und ihres legendären, mutigen Kapitäns waren der Gesprächsstoff in Santo Domingo.“
    „Nein, das meine ich nicht“, beharrte er. Doch er ließ sie los und fiel erschöpft zurück auf sein Kissen. Stirnrunzelnd sah er sie an. „Wo sind wir uns schon einmal begegnet? Wer seid Ihr?“
    „Mein Name ist Señora Montero“, antwortete sie. Sie öffnete ihr Nähkästchen und versuchte, trotz ihrer zitternden Hände, das Nähgarn einzufädeln. „Und ich würde mich sicherlich daran erinnern, wenn wir uns schon einmal begegnet wären, Kapitän. Eine Wirtin kann es sich nicht erlauben, ein Gesicht zu vergessen, besonders wenn es das eines Unruhestifters ist!“
    Er lachte rau auf. „Ich könnte schwören, dass Ihr euch mit Unruhestiftern auskennt, Señora.“
    „Und Ihr euch mit Frauen“, erwiderte sie, während sie den Faden verknotete. „Sicherlich verwechselt ihr mich mit einer Eurer zahlreichen Frauenbekanntschaften in einem anderen Hafen. Ihr habt Fieber und könnt nicht klar denken.“
    „Vielleicht habt Ihr recht. Alles scheint – verworren. Aber ich werde bald wieder einen klaren Kopf hab, Señora. Ein Kapitän kann es sich nämlich auch nicht leisten, ein Gesicht zu vergessen.“
    Bianca hielt ihm einen Becher mit Rum und einem Kräuter–Schlaftrunk an die Lippen. „Darüber könnt Ihr später noch nachdenken, aber trinkt jetzt erst einmal. Das wird die Schmerzen lindern.“
    Er trank bereitwillig, und sein sehniger Körper entspannte sich so schnell, dass er noch nicht einmal zusammenzuckte, als sie die Nadel in sein Fleisch stach. Sie wünschte, sie selbst wäre genauso ruhig und sei sich seines warmen Körpers und jedem seiner Atemzüge nicht so bewusst. Erst als sie endlich fertig war und den Faden durchgeschnitten hatte, wagte sie es, wieder in sein Gesicht zu blicken.
    Er schien zu schlafen, und die harten Linien seines Gesichtes waren zurückgetreten, sodass er wieder so jung wie früher aussah. Sie war erleichtert, dass sie dem durchdringenden Blick aus seinen grünen Augen nicht begegnen musste.
    Bianca ließ sich auf den Stuhl fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie verspürte das Bedürfnis, ihren Tränen freien Lauf zu lassen, und die Verwirrung über diese seltsame Nacht, in der Balthazar Grattiano wieder in ihr Leben getreten war, hinauszuschreien! Und doch blieb sie stumm, gefangen im Chaos ihrer Vergangenheit, die sie plötzlich eingeholt hatte.
    Sie ging hinüber zum Fenster und stieß es weiter auf, um die nächtliche Brise hereinzulassen. Der Himmel hatte eine bedrohliche schwarzviolette Farbe, und dunkle Wolken verdeckten den Mond und die Sterne. Es waren Nachwehen des Sturms, der Balthazars Schiff beschädigt hatte. Alles war still in Santo Domingo, in diesen Stunden vor dem Sonnenaufgang. Nur einige wenige Häuser in der Nähe des Ufers des Rio Ozama waren erleuchtet. Die Festung des Gouverneurs überragte hoch oben auf den Hügeln die Stadt wie ein riesiger, lebloser Koloss.
    Bald würde die Stadt wieder zum Leben erwachen. Sie müsste ihre Arbeit erledigen, müsste kochen und die Unordnung unten aufräumen. Sie müsste sich dem Mann in ihrem Bett stellen. Doch in diesem Augenblick fühlte sie sich,

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