Im wilden Meer der Leidenschaft
Vegetation und der exotischen Blumen. Über ihr strahlten der tiefblaue Himmel und die weißgelbe Sonne. Und Schönheit und Frieden der Natur drangen tief in ihr Herz.
Santo Domingo war ein hartes Pflaster, besonders im Vergleich zu Venedig. Trotz der Festung, der Kathedrale auf der Plaza und den stattlichen Häusern, wo dreißig Jahre zuvor nur armselige Hütten gestanden hatten, wirkte die Stadt noch immer wie eine provisorische Siedlung. Anstand und höfliche Manieren waren hier nur Fassade, und brutale Überfälle und Rebellion waren eine ständige Gefahr. Doch Bianca hatte schon an gefährlicheren Orten gelebt, und hier hatte sie eine Zuflucht gefunden.
Doch nun war dieser Ort umstellt. Balthazar Grattiano war hier, in ihrem Zuhause. Bianca runzelte die Stirn. Was um alles in der Welt machte er hier, so weit weg von Venedig, von seinen Juwelen und seiner seidenen Garderobe, von den luxuriösen, verführerischen Kurtisanen? Er schien tatsächlich ein geachteter Kapitän geworden zu sein, der offensichtlich von seinen Männern respektiert wurde. Irgendetwas Schreckliches musste ihm zugestoßen sein, genau wie ihr, sonst hätte es ihn nicht so weit in die Ferne verschlagen.
Doch was könnte geschehen sein? Balthazar war in Venedig wie ein Prinz aufgewachsen, als einziger Erbe eines reichen und mächtigen, aber auch skrupellosen und grausamen Vaters. Er hatte es nicht nötig, in die Welt zu ziehen, um Reichtümer in der neuen Welt zu suchen, aber vielleicht trieb ihn der Geiz der Grattianos an, denen ein Königreich nicht ausreichte.
Hieß sein plötzliches Erscheinen hier, dass als Nächstes Ermano auftauchte?
Ein kalter Schauer überlief Bianca, als sie an die glasigen, starren Augen ihrer toten Mutter dachte. An das Blut und den Dolch. Und die schreckliche Angst, die sie für immer aus Venedig vertrieben hatte. Saß sie nun von Neuem in der Falle?
Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Oh nein! Das werde ich nicht zulassen!“, murmelte sie. Santo Domingo war ihr Zuhause. Sie würde nicht noch einmal vor den Grattianos fliehen.
Sie musste herausfinden, was Balthazar hierher geführt hatte. Danach würde sie entscheiden, was zu tun war.
Die Morgendämmerung färbte den Himmel blassrosa und verscheuchte die Dunkelheit der Nacht und damit die Angst, die sie überfallen hatte.
Das verängstigte Mädchen, das seine Mutter verloren hatte und einem jungen Mann, der sie verraten hatte, nachweinte, gab es nicht mehr. Sie war eine erwachsene Frau, und sie würde es nicht hinnehmen, dass die Grattianos ihr noch einmal etwas wegnahmen. Weder ihr Zuhause noch ihren Stolz oder die Möglichkeit, endlich Rache nehmen zu können.
Bianca seufzte. Nun – einen einzigen Kuss würde sie ihm vielleicht noch gewähren können. Sie musste sich eingestehen, dass er noch immer der bestaussehende Mann war, der ihr je begegnet war. Doch mehr würde sie nicht zulassen und auch das nur, wenn sie die Situation beherrschen konnte.
Schnell drehte sie sich um und rannte zurück in ihre Küche, wo Delores gähnend das Feuer schürte. Ein neuer Tag voll harter Arbeit begann, und sie konnte sich nicht von einem gut aussehenden Kapitän, der verwundet in ihrem Bett lag, ablenken lassen.
Aber vielleicht war er auch ebenso schnell wieder aus ihrem Leben verschwunden, wie er darin aufgetaucht war. Oben war jedenfalls alles still, aber dennoch bereitete sie Wasser, Verbände und eine Schüssel mit aufgewärmtem Eintopf vor.
„Ist er noch hier?“, fragte Delores.
„Natürlich“, antwortete Bianca. „Ich glaube nicht, dass er in der Verfassung ist, schon aufzustehen.“ Doch er war trotz seiner Verletzung in höchster Form gewesen, als er sie geküsst und ihre nackte Hüfte gestreichelt hatte.
Delores seufzte. „Wie gut aussehend er doch ist, Señora! Es wäre zu schrecklich gewesen, wenn er letzte Nacht gestorben wäre.“
In der Tat, es wäre schade gewesen, wenn er gestorben wäre, bevor sie einige Antworten auf ihre dringenden Fragen erhalten hätte – oder ihn selber umbringen konnte! „Gut aussehend oder nicht, Delores, wir haben keine Zeit, ihn anzuhimmeln“, sagte Bianca, plötzlich zutiefst irritiert von Balthazar, Delores, der ganzen Welt und vor allem sich selbst. „Wir haben unsere Arbeit zu erledigen.“
Delores nickte und drehte sich vom jetzt hell brennenden Feuer weg, um Maniok zu schälen und kleinzuschneiden. Obwohl Delores gern mit gut aussehenden Seefahrern flirtete, musste Bianca zugeben, dass sie eine
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