Im wilden Meer der Leidenschaft
unbestimmte Zeit auf diesem Schiff einem unbestimmten Ziel entgegen. Mit Balthazar.
Sie stützte sich auf ihre Ellbogen und schloss die Augen, um die warme, salzige Brise zu inhalieren. Das genügte. Es musste ihr genügen.
Wenigstens bis das Schicksal beschloss, die Spielfiguren weiter zu setzen.
19. KAPITEL
„ Land in Sicht!“, meldete am nächsten Tag der Ausguck aus dem Krähennest, und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Bianca sah von dem Segel auf, das sie gerade reparierte. Sie war so in ihre Aufgabe, in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie eine Sekunde brauchte, um die Neuigkeit aufzunehmen. Land!
Sie rappelte sich auf und beeilte sich, zu den Männern an die Reling zu kommen. Tatsächlich sah man einen dünnen Streifen Land. Doch ohne Fernrohr wirkte er wie ein schwarzer Strich in der unendlichen Weite des Meeres. Näherten sie sich ihrem Ziel? Oder kamen sie etwa nur an einem anderen Hafen vorbei?
„Ist das Vista Linda?“, fragte sie Luis, der neben ihr stand. „Sind wir schon da? Ich dachte, der Sturm hätte uns vom Kurs abgebracht.“
„Es könnte Vista Linda sein, Señora“, antwortete er. „Für Puerto Rico sind wir zu weit nördlich.“
„Das hat der Kapitän mal wieder zustande gebracht“, sagte der Schiffsjunge aufgeregt. „Hab ich’s nicht gesagt?“
„Doch, das hast du“, erwiderte Bianca und erinnerte sich an die Erzählung der tanzenden Korona. Aber konnte er ein Schiff auch zum Fliegen bringen?
Sie blieb an der Reling stehen, während die Mannschaft sich an die Arbeit begab und die nötigen Vorbereitungen zum Einlaufen in den Hafen traf. Bianca wusste, dass sie den Männern jetzt am besten nicht im Weg stand. Reglos blickte sie auf den Streifen Land, der immer deutlicher, immer größer wurde.
Bald konnte sie einen langen, geschwungenen und goldfarbenen Sandstrand erkennen, und das Wasser nahm eine helle blaugrüne Farbe an. Und endlich ertönte ein lauter Freudenschrei, und die Anker wurden fallen gelassen.
Bianca blieb wie festgewurzelt weiterhin an der Reling stehen. Sie beobachtete, was sich vor ihren Augen abspielte, sah, wie das Boot ausgebracht wurde, mit dem die ersten Männer an Land gingen, doch sie fühlte sich seltsam unbeteiligt. Die Reise ging zu Ende. Die Männer hatten ihr Zuhause wieder, eine Atempause vom harten Leben auf See.
Was würde sie erwarten? Sie spürte, dass sie noch nicht an ihrem Ziel angelangt war; dass für sie nun eine neue Reise in eine fremde Welt begann, die sie noch nicht einschätzen konnte.
„Bianca!“, hörte sie Balthazar rufen. Sie blickte sich um und sah ihn auf sich zulaufen. Er hatte einen schwarzen ledernen Umhang übergestreift und trug einen Seesack über der Schulter.
Er lächelte ihr zu, doch sah sie gleichzeitig aufmerksam an, als wolle er ihre Gedanken lesen. Doch sie konnte weder ihm noch sich selbst versichern, dass alles gut werden würde. Sie konnte nur weiter vorwärtsgehen.
„Kommst du mit mir an Land?“, fragte er und streckte seine Hand aus.
Bianca ergriff sie und erwiderte sein Lächeln, während seine Finger sich fest um die ihren schlossen. „Aber natürlich. Ich habe genug vom Gestank Eures Schiffs, Kapitän.“
Balthazar lachte und packte ihre Taille, um sie über die Reling auf die Strickleiter zu heben. Sie fand schnell Halt in den schwankenden Sprossen und kletterte nach unten, bis Mendoza ihr ins Boot helfen konnte. Sobald es voll besetzt war, nahmen sie Kurs auf das Ufer und was auch immer sie dort erwartete. Balthazar und seine Männer ruderten zur Melodie eines Seemannslieds, und der Strand kam rasch näher.
Als sie kurz vor ihrem Ziel waren, sprang Balthazar plötzlich in das nun schon seichte Wasser, das um seine Stiefel aufspritzte. Bevor Bianca wusste, wie ihr geschah, hatte er sich wieder zu ihr umgedreht, sie in die Arme genommen und trug sie nun hoch über dem Wasser.
„Balthazar!“, schrie sie und klammerte sich an ihm fest, während sie das Wasser auf ihrer Haut spürte. „Was machst du da? Kannst du nicht warten, bis das Boot das Ufer erreicht hat?“
„Dafür haben wir keine Zeit. Merkst du das nicht?“
„Was soll ich merken? Dass du den Verstand verloren hast?“
Er lachte und hob sie noch höher. „Ich meine den unwiderstehlichen Duft des Landes, cara !“
Nun konnte auch Bianca nicht mehr an sich halten. Sein tiefes, raues Lachen steckte sie an und durchfuhr sie, bis es sich gänzlich mit ihrem eigenen vermischte. Nichts wollte sie mehr, als
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