Im Wirbel der Gefuehle
wie perfekt hatte er doch zu ihr gepasst, zu ihrem Leben, zu ihrer Zukunft, ihrem Bett und ihrem Körper.
Jetzt war er weg, für immer weg.
Als sie aus der Richtung des Haupthauses Geräusche hörte, drehte sie sich erschrocken um, denn ihre Nerven waren nach dem Erlebten immer noch ein wenig angespannt. Doch es war nur ihre Mutter, die mithilfe ihres Vaters auf die Veranda hinaustrat. Er setzte sie in einen der Korbstühle, was sie mit einem dankbaren Lächeln quittierte. Während er sich den nächstbesten Stuhl griff, um sich neben sie zu setzen, ließ sie ihren Blick über die Landschaft schweifen, mit einem entspannten und interessierten Gesichtsaudruck, ganz so, als ob sie die Gegend zum ersten Mal wahrnehmen würde.
Es war, soweit sich Reine erinnern konnte, das erste Mal seit jener Nacht, in der sie Theodore attackiert hatte, dass sie vor das Haus trat. Ansonsten hatte sie nur kurze, zweckgebundene Ausflüge nach New Orleans unternommen und eben jenen Gang zur heimischen Kapelle im Zuge der Hochzeitsfeierlichkeiten. Reine brachte dieses Verhalten immer in Zusammenhang mit einer schleichenden Krankheit, sie glaubte, es würde ihr an Kraft und Energie fehlen. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass ihre Mutter bestimmte Sachen nicht mehr unternahm, weil sie einfach Angst hatte. Jetzt, wo Theodore tot war, siehe da, da traute sie sich wieder.
»Nun«, rief sie ihren Eltern zu, als sie auf sie zuging, »das ist ja mal etwas!«
Ihre Mutter zuckte äußerst gelassen mit den Schultern und lächelte sie an. »Ich hatte es plötzlich so satt, dauernd weggesperrt zu sein.«
»Oh Maman, dachtest du wirklich, Theodore würde hier draußen irgendwo lauern?«
»Ich konnte einfach nicht glauben, dass er tot sei. Er torkelte zwar wie ein Betrunkener, als er das Schlafzimmer verließ, doch er konnte noch gehen und auch schreien, denn im Hinauslaufen verfluchte er mich unentwegt, deshalb verstand ich es auch nicht, wieso er das nicht hätte überleben sollen. Was konnte ihm noch zugestoßen sein?«
»Du hattest ja recht, dich das zu fragen«, erwiderte Reine, während sie sich vorbeugte und die alte, weiche Wange ihrer Mutter mit einem Kuss bedachte. »Man hätte von ihm erwartet, dass er uns benachrichtigt oder dass er zurückkäme, sobald seine Wunden verheilt wären. Aber er hatte schreckliche Angst vor Vinot.«
»Ja, ich glaube, er zitterte wohl regelrecht vor ihm«, sagte ihr Vater zustimmend. »Schon bevor das arme Ding im Kindbett starb, war er fasziniert von den Heldentaten der Bruderschaft, sammelte immer die Ge-schichten der nächtlichen Abenteuer der Fechtmeister, vor allem jene des Nachtfalken.«
»Aber wo ist eigentlich Monsieur Lenoir?«, fragte ihre Mutter und blickte sich verwundert um, als ob sie ihn hinter einer Ecke des Hauses vermuten würde. »Ich dachte, ich hätte ihn gerade noch mit dir zusammen gesehen.«
»Er hat sich von mir verabschiedet. Nun wird er aufbrechen und uns verlassen.«
»Ich hoffe doch, nicht für immer.«
Reine tauschte einen kurzen Blick mit ihrem Vater aus, der rätselhaft die Stirn in Falten legte. »Ich fürchte doch«, antwortete sie. »Es scheint so, dass er sich die Rechte an River’s Edge mit unlauteren Mittel erschlichen hat, und nun schien er sich dazu veranlasst zu fühlen, das begangene Unrecht wiedergutzumachen.«
»Unsinn«, schnaubte ihr Vater dazwischen. »Ich habe alles darangesetzt, dass er das Anwesen bekommt, zumindest, was in meiner Macht stand.«
»Papa!«, rief sie aus. »Willst du damit sagen, dass er dich beim Kartenspiel nicht betrogen hat?«
»Aber ja doch, allerdings hat er es äußerst ungeschickt angestellt, ma chere. Ich hätte ihn jederzeit aufhalten können, ohne einen Skandal zu riskieren. Eine kleine Handbewegung hätte genügt, ein kleiner Taschenspielertrick meinerseits, und niemandem wäre etwas aufgefallen.«
»Aber alles einfach wegzugeben, Maurice«, protestierte seine Frau.
»Nichts dergleichen. Ich habe doch gesehen, wie er in jener Nacht vor der Oper Reine angeschaut hat. Du warst ja nicht da, meine Liebe, und ich war zu weit weg, als dass ich von Nutzen hätte sein können, aber noch nie habe ich so einen sehnsuchtsvollen Blick bei einem Mann gesehen. Außerdem wurde er auf River’s Edge gebraucht, denn ich war die Betrügereien und Tricks von Kingsley leid, habe aber selbst noch nie das Talent dafür gehabt, mich um Zuckerrohrplantagen zu kümmern, und die richtige Einstellung fehlte mir auch. Lenoir musste nur in die
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