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Im Zauber der Gefuehle

Titel: Im Zauber der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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schon den einen Appetit nicht stillen kann, werde ich eben vorerst einen anderen befriedigen.«

Achtes Kapitel
    Da eine Hochzeit mit Lord Radnor regelmäßig in Lotties Albträumen aufgetaucht war, hatte sie der Zeremonie gegenüber unweigerlich eine sehr misstrauische, ja furchtsame Haltung entwickelt. Deshalb war sie erleichtert, dass die Vermählung im Büro des Standesbeamten sich als zügige Angelegenheit entpuppte, die darin bestand, dass sie ein Dokument Unterzeichneten, das vorgeschriebene Ehegelöbnis ablegten und eine Gebühr entrichteten. ln dieser geschäftsmäßigen Atmosphäre gab es keinerlei Küsse, schmachtende Blicke oder sonstige Gefühlsanwandlungen — und dafür war sie dankbar. Allerdings fühlte sie sich beim Verlassen des Standesamtes kein bisschen mehr verheiratet als beim Betreten.
    Gerade eben war sie die Frau eines Mannes geworden, der sie nicht liebte und zu solch einem Gefühl gar nicht fähig war. Folglich hatte sie sich mit dieser Heirat jegliche Möglichkeit verbaut, in ihrem Leben die Liebe zu finden.
    Doch die Verbindung hatte auch ihr Trostreiches, allem voran den Umstand, dass sie sich auf diese Weise Lord Radnor für immer entzogen hatte. Außerdem hatte sie zugegebenermaßen mit Nick Gentry einen faszinierenden Mann an ihrer Seite. Anstatt wie jeder andere seine Fehler zu kaschieren, prahlte er geradezu damit, als sei es verdienstvoll, keinerlei Moral zu besitzen und noch dazu käuflich zu sein. In ihren Augen war er ein Fremder, der aus einer Welt zu ihr gekommen war, von der sie nur im Flüsterton sprechen gehört hatte ... eine Welt voller Aasfresser, Diebe und Besitzloser, die sich auf Gewalt und Prostitution verlegt hatten. Gentlemen und Ladys mussten so tun, als gäbe es die Unterwelt nicht, doch Nick Gentry beantwortete Lotties Fragen mit verblüffender Offenheit und erklärte ihr, wie die Verhältnisse in den Elendsvierteln Londons wirklich waren und auf welche Schwierigkeiten die Runner aus der Bow Street bei der Verbrecherjagd stießen.
    »Manche der Gassen sind so eng«, erklärte er, als die Kutsche sie zum Anwesen von Sir Ross brachte, »dass sich ein Mann nur seitlich zwischen den Gebäuden hindurchquetschen kann. Oftmals habe ich einen flüchtigen Kriminellen nur deshalb aus den Augen verloren, weil er dünner war als ich. Außerdem sind unzählige der Häuser miteinander verbunden - über die Dächer, Höfe und Keller —, sodass ein Dieb wie ein Kaninchen in seinem Bau von einem Loch zum anderen schlüpfen kann. Normalerweise begleite ich die neuen Polizisten, die erst wenig Erfahrung haben, denn sie können sich binnen weniger Minuten verlaufen. Und wenn ein Runner sich erst einmal verlaufen hat, kann er ganz leicht in eine Falle tappen.«
    »Was für eine Falle?«
    »Ach, eine Gruppe Diebe oder Hehler könnten ihm auflauern, um ihm den Schädel einzuschlagen oder ihn zu erstechen. Oder sie bedecken eine Senkgrube mit ein paar verrotteten Planken, sodass er im Abwasser ertrinkt, sobald er einen Fuß auf das morsche Holz setzt. Etwas in der Richtung.«
    Entsetzt riss sie die Augen auf. »Wie schrecklich!«
    »Es ist nicht gefährlich, wenn man weiß, was einen erwartet«, versicherte er ihr. »Ich bin in jedem Winkel von jeder Mietskaserne in ganz London gewesen und kenne jedes Versteck und jede mögliche Falle.«
    »Es scheint fast so, als würde dir deine Arbeit Freude bereiten ... auch wenn das nur schwer vorstellbar ist.«
    »Freude bereitet sie mir keine.« Er zögerte, bevor er fortfuhr. »Aber ich brauche sie.«
    Verwirrt schüttelte Lottie den Kopf. »Meinst du die körperliche Anstrengung?«
    »Das ist ein Teil davon. Über Mauern springen, auf Dächer klettern, das Gefühl, einen Flüchtigen zu fangen und ihn zu Boden zu werfen ...«
    »Und das Kämpfen?«, fragte Lottie. »Genießt du diesen Teil deiner Arbeit?« Obwohl sie eine gegenteilige Antwort erwartet hatte, nickte er kurz.
    »Es macht süchtig«, sagte er. »Die Herausforderung und die Anspannung ... sogar die Gefahr.«
    Lotties Finger verkrampften sich, als sie darüber nachdachte, dass jemand ihn zähmen und zu einem friedvollen Leben bekehren musste - oder seine Vorhersage, er werde jung sterben, würde sich nur allzu bald bewahrheiten.
    Da hielten sie vor einem großen Haus, und die beiden aufmerksamen Lakaien Daniel und George halfen Lottie aus der Kutsche, bevor sie gingen, um dem Haushalt ihre Ankunft zu verkünden. Lottie hielt am Tor inne, als sie ein kunstvoll geschmiedetes C

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