Im Zauber der Gefuehle
Rolle für den Rest meines Lebens spielen.« Wütend und ungläubig zugleich schüttelte er den Kopf. »Herrgott! Ich will das nicht. Am liebsten würde ich jemanden umbringen!«
Lottie legte den Kopf schräg, als sie ihn forschend betrachtete. Ohne Zweifel sollte sie Angst vor ihm haben, wenn er in einer solchen Stimmung war, denn mit seinen blutgierig funkelnden Augen sah er tatsächlich aus, als wäre er zu einem Mord bereit. Doch seltsamerweise empfand sie Mitgefühl, ja, eine Art Seelenverwandtschaft, die zwischen ihnen bestand. Sie quälten sich beide und sahen sich mit einem Leben konfrontiert, das sie so nie geplant oder sich erhofft hatten.
»Wie hast du dich auf Stony Cross Park gefühlt, als du dich als Lord Sydney vorgestellt hast?«, wollte sie wissen.
»Zuerst fand ich es amüsant, die Ironie, mich als mich selbst auszugeben. Doch schon nach einem Tag wurde die ganze Maskerade zu einer Bürde. Allein, wenn der verfluchte Name fällt, steigt abgrundtiefer Zorn in mir hoch.«
Lottie fragte sich, weshalb er dem Namen, mit dem er geboren wurde, so feindselig gegenüberstand. Es musste noch einen anderen Grund geben, über den er bisher nicht gesprochen hatte.
»Nick, was meinte Sir Ross damit, als er sagte, du besäßest die finanziellen Mittel, um den Verpflichtungen des Titels nachzukommen?«
Er verzog den Mund. »Er meinte, dass ich es mir leisten kann, einen großen Besitz zu fuhren und für den Lebenswandel aufzukommen, der von einem Peer, einem Mitglied des Hochadels, erwartet wird.«
»Wie kann er so etwas wissen?«
»Mit Sicherheit kann er es nicht wissen.«
»Natürlich befindet er sich im Irrtum.«
»Nein«, murmelte Nick, »tut er nicht. Bevor ich zur Bow Street kam, tätigte ich einige Investitionen, und ich besitze das eine oder andere Gut. Alles in allem habe ich ungefähr zweihundert angespart.«
Stillschweigend überlegte Lottie, dass zweihundert Pfund nicht schlecht waren, dass sie aber nicht die Sicherheit gewährleisteten, die vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Sie konnte nur hoffen, dass seine Investitionen nicht an Wert einbüßten. »Nun, das ist doch ein hübsches Sümmchen«, sagte sie, da sie seine Gefühle nicht verletzen wollte. »Wir werden gut über die Runden kommen, wenn wir ein wenig mit dem Geld haushalten, aber ich denke nicht, dass die Umstände den Kauf einer Aussteuer erlauben. Jedenfalls nicht jetzt, vielleicht können wir später einmal ...«
»Lottie«, unterbrach er sie, »wir müssen nicht haushalten.«
»Zweihundert Pfund sind viel Geld, aber es wird nicht ganz einfach sein, einen Haushalt mit ...«
»Lottie.« Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an. »Tausend. Ich meinte zweihunderttausend Pfund.«
»Aber ... aber ...« Lottie war überwältigt. Das war wahrlich eine immense Summe, ein wahres Vermögen!
»Und etwa fünftausend im Jahr aus Investitionen und privaten Aufträgen«, fügte er hinzu, was sie weiter verblüffte. Seine Miene verfinsterte sich. »Obwohl es so aussieht, als wären meine Tage als Privatermittler gezählt.«
»Aber du musst ja so reich wie Lord Radnor sein!«, brachte sie benommen hervor.
Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als seien Geldfragen im Vergleich zu seinem eigentlichen Problem völlig unerheblich. »Wahrscheinlich.«
»Du könntest dir ein Dutzend Häuser leisten. Du könntest alles haben, was ...«
»Ich brauche kein Dutzend Häuser. Schließlich kann ich nicht unter mehr als einem Dach schlafen, und ich kann nur drei Mahlzeiten am Tag zu mir nehmen. Außerdem liegt mir nicht das Geringste daran, andere Leute mit meinem Geld zu beeindrucken.«
Überrascht stellte Lottie fest, dass es ihm wahrscheinlich nie darum gegangen war, Reichtümer anzuhäufen. Sein Vermögen war seiner Neigung entsprungen, jeden von der Unterwelt bis hin zur Bow Street auszutricksen.
Da ihm nun die Polizeiarbeit genommen worden war, würde er dringend eine andere Beschäftigung brauchen, denn er war ein überaus aktiver Mann, überhaupt nicht geschaffen für die kultivierte Trägheit des aristokratischen Lebensstils. Wie um Himmels willen sollte er sich je daran gewöhnen, das Leben eines Peers zu führen?
Seine Gedanken mussten in eine ähnliche Richtung verlaufen sein, denn er stieß ein hoffnungsloses, zorniges Stöhnen aus und fuhr sich resigniert mit der Hand durchs Haar. Eine widerspenstige Locke fiel ihm in die Stirn, und zu ihrer Überraschung verspürte Lottie auf einmal den Drang, mit der dicken,
Weitere Kostenlose Bücher