Im Zauber der Gefuehle
wenn es darum geht, dich in dein neues Leben zu fügen und ...«
»Ich werde mich verdammt noch mal in gar nichts fügen«, knurrte er unwirsch und warf Lottie einen gebieterischen Blick zu. »Komm, wir gehen. Aut der Stelle.«
Sie erhob sich automatisch, und Sir Ross stand gleichfalls auf. Verstört blickte Lottie zu ihrem Schwager, in dessen Augen sich nicht der leiseste Triumph widerspiegelte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er aus Rachegelüsten oder Ressentiment handelte. Ihrer Meinung nach hielten Sir Ross - und Sophia - es für absolut notwendig, dass Gentry wieder seine alte Identität annahm. Am liebsten hätte sie weiter mit ihnen über die Angelegenheit gesprochen, doch es war offensichtlich, dass Gentry sich kaum mehr unter Kontrolle hatte. Jeder andere Mann wäre überglücklich gewesen, seinen Adelstitel, seine Ländereien und das Familienvermögen wiederzuerlangen, doch für Gentry stellte die Aussicht den reinsten Albtraum dar.
Auf der Heimfahrt war Lottie schweigsam, und auch ihr Ehemann sagte kein Wort in der Kutsche, sondern war sichtlich bemüht, Herr seines glühenden Zorns zu werden. Lottie dachte, dass er sicherlich mit dem Umstand rang, wie plötzlich sich sein Leben verändert hatte, ganz ähnlich war auch ihre Stimmung gewesen, als sie Stony Cross Park verlassen hatten.
In dem Augenblick, in dem sie vor dem Haus in der Betterton Street ankamen, sprang Gentry aus der Kutsche, sodass Lottie die Hilfe des Lakaien annehmen musste, um aus dem Gefährt zu steigen. Als sie die Eingangstür erreichte, war von ihrem Mann keine Spur zu sehen.
In der Eingangshalle erwartete sie die Haushälterin, die ihr sagte, sie habe den Herrn in die Bibliothek stürmen sehen. Nachdem Mrs. Trench ihr Haube und Handschuhe abgenommen hatte, machte Lottie sich auf den Weg zur Bibliothek. Sie klopfte an der geschlossenen Tür, bevor sie eintrat. Die Bibliothek war mit dunklem Kirschholz verkleidet und mit braunen Teppichen ausgelegt, in die goldene Muster eingewoben waren. Große Fenster erstreckten sich bis zur Decke, die mindestens fünf Meter hoch war.
Gentrys breitschultrige Gestalt war an einem der Fenster auszumachen, sein Rücken spannte sich merklich an, als er Lottie herankommen hörte. Er hielt ein Brandyglas so fest umklammert, dass es aussah, als würde das hauchdünne Gefäß jeden Moment zwischen seinen langen Fingern zerbrechen.
Lottie blieb zögernd an einem der hohen Kirschholzregale stehen, als ihr auffiel, wie wenige Bücher die Bibliothek aufwies.
»Deine Bibliothek ist fast leer«, stellte sie fest.
Gentry stand weiterhin am Fenster und starrte brütend ins Leere. Mit einer steifen Bewegung trank er den Brandy in einem Zug aus. »Dann kauf Bücher. Füll die Regale bis zur Decke, wenn du willst.«
»Danke.« Dass er ihr noch nicht angetragen hatte zu gehen, gab ihr den Mut, näher zu treten. »Mr. Gentry ...«
»Nenn mich nicht so«, meinte er ärgerlich.
»Es tut mir Leid. Nick.« Sie kam näher. »Ich möchte etwas richtig stellen, das Sir Ross vorhin sagte: Dir obliegt keineswegs die Verantwortlichkeit, mich zu Lady Sydney zu machen. Wie ich dir bereits sagte, ist es mir gleich, ob du dem Adel angehörst oder ein Bürgerlicher bist.«
Lange Zeit sagte er nichts, dann stieß er einen tiefen Seufzer aus, ging zur Anrichte und schenkte sich noch einen Brandy ein.
»Gibt es eine Möglichkeit, Sir Ross daran zu hindern, seine Pläne in die Tat umzusetzen?«, wollte Lottie wissen. »Vielleicht könnten wir uns von einem Anwalt beraten lassen ...«
»Es ist zu spät. Ich kenne Sir Ross, er hat jeden möglichen Gegenzug meinerseits einberechnet, und sein Einfluss reicht überallhin: Richter, Polizei, Parlament, die Krone ... diese verfluchte königliche Vorladung wird hier ankommen, egal, was ich anstelle, um es zu verhindern.« Dann gebrauchte er einen Ausdruck, den Lottie nicht kannte, der sich aber nach etwas Unflätigem anhörte, bevor er fortfuhr: »Am liebsten würde ich Cannon, diesem verdammten Hornochsen, jeden einzelnen Knochen im Leib brechen.«
»Was kann ich tun?«, fragte sie leise.
»Du hast doch gehört, was meine Schwester gesagt hat, oder? Du wirst Hausherrin spielen und mir helfen, so zu tun, als sei ich ein Viscount.«
»Das hast du auf Stony Cross Park ganz gut alleine hinbekommen«, meinte sie. »Dein aristokratisches Auftreten ist ziemlich überzeugend.«
»Das war für ein paar Tage«, entgegnete er bitter. »Doch nun sieht es so aus, als müsse ich diese
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