Im Zauber des Mondes
jetzt setzte er sich erst, als sie saß. Sie hatte öfter bemerkt, daß er so etwas gegenüber Mrs. Congreve tat, und sich insgeheim darüber amüsiert. Aber jetzt fand sie es ganz angenehm, so zuvorkommend behandelt zu werden, und sie lächelte zögernd.
Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Die Arme auf die Tischplatte gestützt, musterte er sie eine ganze Weile, bis ihr unter seinem Blick unwohl wurde. Als wäre das das Signal, auf das er gewartet hatte, schob er seinen Stuhl zurück und streckte die Beine aus. Seine Finger trommelten auf die Armlehnen, und seine Augen unter den gerunzelten Brauen wirkten weit entfernt.
»Caitlyn.« Er unterbrach die Stille mit ihrem Namen, verstummte dann aber wieder. Die Spannung machte sie nervös.
Als er schließlich sprach, wägte er die Worte sorgfältig ab. »Erst einmal muß ich zugeben, daß du recht hattest. Ich schulde dir eine Entschuldigung. Ich habe dich nicht absichtlich geschlagen, aber hätte ich mein Temperament besser unter Kontrolle gehabt, wäre es nicht passiert.« Seine formelle Entschuldigung verunsicherte sie irgendwie noch mehr.
»Ich hatte es provoziert.« Er lächelte etwas über ihr spontanes Eingeständnis, aber seine Augen blieben ernst. Er war gar nicht wie sonst, und sie fühlte sich immer unwohler.
»Aye, du hast mich provoziert. Dafür scheinst du eine besondere Begabung zu haben.« Sie dachte, sie hätte einen Anflug von Humor herausgehört, und lächelte ihn an, aber er blieb ernst.
»Caitlyn.« Die Art, wie er ihren Namen sagte, beunruhigte sie. Was konnte nur los sein? Es war, als hätte er schlechte Nachrichten und wüßte nun nicht, wie er sie ihr beibringen sollte.
»Wir haben ein Problem, Kleine«, sagte er schließlich sanft.
»Was für ein Problem?« fragte sie, und die Anspannung machte es ihr schwer, zu sprechen.
»Ein Mädchen in einem Männerhaushalt. Mädchen sind anders als Jungen, und Jungen sind anders, wenn Mädchen in ihrer Nähe sind. Es ist ganz normal, daß du deine Reize ausprobieren willst, und es ist normal, daß sie darauf ansprechen. Ich möchte nur klarstellen, daß dich keine Schuld trifft. Du hast nichts falsch gemacht.«
»Ich verstehe nicht ganz.« Ein zentnerschweres Gewicht senkte sich auf Caitlyns Brust.
»Ich muß dich wegschicken, Kleine. Es ist zu deinem eigenen Besten.« Sein Ton war sehr sanft. Sie vergrub die Nägel in den Handflächen, aber sie spürte den Schmerz nicht einmal. Ihre Augen waren riesig, als sie sein Gesicht erforschten.
»Was?« Sie konnte nicht glauben, was er da eben gesagt hatte.
Schnell fuhr er fort. »Es ist nicht so schlimm, Caitlyn. Wir schicken dich nicht wieder einfach in die Welt hinaus. Die
Schwestern von St. Mary in County Longford haben eine Schule für Mädchen, sie werden dich aufnehmen. Ein Freund von mir kümmert sich um die nötigen Einzelheiten. Sie werden dir alles beibringen, was du wissen mußt: Gutes Benehmen, wie man einen Haushalt führt und so weiter. Offensichtlich gibt es viele Dinge, die eine Frau wissen muß und von denen wir Männer keine Ahnung haben.«
»Nein!«
Unbeirrt fuhr er fort, als wolle er ihren Widerstand mit vernünftigen Worten brechen. »Der Platz eines jungen Mädchens ist unter anderen Frauen, nicht unter heranwachsenden jungen Burschen. Da kann nichts Gutes dabei herauskommen. Du hast noch morgen Zeit, deine Sachen zu packen und dich zu verabschieden. Wir fahren übermorgen, ganz früh.«
Caitlyn fühlte sich, als würde eine riesige Hand ihr Herz zerdrücken. Seine Augen musterten ihr Gesicht, und sie waren dunkel vor Mitleid. Mitleid, wo er ihr so weh tat, daß sie hätte schreien mögen!
»Das . . . das könnt Ihr nicht tun! Wenn es bloß wegen -wegen letzter Nacht ist, es wird nie wieder Vorkommen, ich verspreche es. Ich werde im Bett bleiben, wenn Ihr reitet. Und ich werde Rory und Cormac und Liam nie wieder ansehen und auch sonst niemanden, wenn Ihr es nicht wollt. Ich . ..«
»Es ist nicht deswegen. Wegen nichts, was du getan hast. Wegen dem, was du bist. Du bist zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen, und wir sind nur Männer hier. Und Männer, selbst die besten von ihnen, verlieren bei einer hübschen jungen Frau schnell den Kopf. Jetzt kann man den Ärger noch im Keim ersticken. Aber wer weiß, was noch passieren wird, wenn du bleibst.«
»Ich würde nie . . .«
»Du könntest gar nichts dagegen tun.« Sein Ton war endgültig. »Außerdem denke ich auch an dich. Du wirst eines Tages heiraten und Kinder haben
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